Berliner Briefe ~ Susanne Kerckhoff

Auch diese buchige Entdeckung wäre mir wohl entgangen, wenn es den Indiebookday am 20. März nicht geben würde. In der Buchhandlung Stephanus in Moritzburg machte mich Carola Gaitzsch auf die „Berliner Briefe“ aufmerksam und ganz ehrlich, selbst ohne den Klappentext zu lesen, war klar: Das Buch muss mit! Ein Briefroman, haptisch handschmeichelnd und vom Verlag Das kulturelle Gedächtnis, von dem ich peinlicherweise zum ersten Mal hörte…

Lesehorizont erweitern und Bildungslücken schließen!

Das mich die Briefe so sehr fordern, hätte ich allerdings nicht gedacht. Und ich gebe gleich zu Beginn zu, dass dieses schmale Buch, diese 112 Seiten, mehrfach gelesen werden müssen. Zu geballt sind die Briefe, zu heftig der abgedruckte Inhalt, zu gehaltvoll die Auseinandersetzungen mit den Themen in den Zeiten des Nationalsozialismus.

Berliner Briefe

Ehrlicherweise habe ich angenommen, dass die 13 Briefe leicht lesbar sind und sich direkt tief in meine Leserinnenhaut einbrennen. Und ich habe mir natürlich erhofft, dass die Briefe auch beantwortet werden. Allerdings hat Schreiberin Helene nie eine Antwort von dem in Paris lebenden Hans bekommen. Ihr jüdischer Jugendfreund bleibt unsichtbar und wir Leser:innen können nur hoffen, dass Hans die Worte erhalten hat.

„Der Nationalsozialismus ist eine Pest, eine Seuche, ansteckend, immer wieder in schwärenden Beulen vorbrechend! Ein Großteil der Entnazifizierten atmet begeistert diese Pest ins Volk, hat sie in keiner Weise überstanden.“ (Seite 36)

Natürlich sind die Briefe von der Berlinerin keinesfalls weniger interessant, nur weil die Antworten fehlen. Vielleicht sind die Briefe auch nie angekommen oder abgeschickt worden. Vielleicht hat Susanne Kerckhoff die Briefe als eine Art Tagebuch genutzt, in denen sie ihr Leben, ihre Handlungen und ihre Persönlichkeit festhält, spiegelt und hinterfragt.

Berliner Briefe ~ Susanne Kerckhoff

Wie viel Susanne Kerckhoff steckt in Helene? Die wohl spannendeste Frage, die uns die Autorin, die schon in jungen Jahren den Freitod wählte, nicht persönlich beantworten kann. Am Ende des halbfiktiven?! Romans befragte ich natürlich die Weiten des Internets und informierte mich über die Autorin. Ein bewegtes Leben, was nicht völlig nachvollzogen werden kann. Was wüsste ich gern mehr von ihr.

Susanne Kerckhoff

Die Berliner Briefe haben mir wirklich viel abverlangt und alles habe ich nicht verstanden. Und doch habe ich mir sehr kluge Sätze angestrichen und immer wieder durchgelesen. Susanne Kerckhoffe selbst betont ungeschönt und naiv, dass auch sie nicht alles versteht und auch nicht verstehen kann, aber ihr Mut und der Kampf um Freiheit sie antreiben. Sie ist eine starke Frau und behauptet sich in der Männerwelt. Auch wenn sie am Ende Wege einschlägt, die ich nicht nachvollziehen kann, Wege, die mich verstören. Umso wichtiger für mich das Nachwort von Peter Graf.

Er verleiht den Briefen Nachdruck und auch Transparenz und geht auf die moralische Rigorosität und Ehrlichkeit von Susanne Kerckhoff ein. Eine kluge Frau, Feuilleton-Chefin der „Berliner Zeitung“ und wichtige Autorin!

„Nicht, was in den Mund hereingeht, sondern, was aus dem Mund herauskommt, macht den Menschen unrein!“ (Seite 56)


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