Kategorie: Lesebienchen – Artikel

Der Garten über dem Meer – ein Wiederfühlen des Großen Gatsbys

Der Garten über dem Meer von
Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda

„Und jetzt? Wohin geht man, wenn man einen Roman von Merce Rodoreda ausgelesen hat? Man verweilt, schwärmt, möchte aus der Sphäre nicht entlassen werden – denn er ist nicht ausgelesen. Er steht noch im Raum. Wie nach einer Begegnung mit Charme fühlt es sich an.“ (S. 225)

So beginnt das Nachwort von Roger Willemsen zu Der Garten über dem Meer(mare), dem erstmals ins Deutsche übertragenen Roman der großen katalanischen Autorin Merce Rodoreda.

Was bleibt? Ein Hauch des Duftes aus dem Garten? Das Rauschen des Meers, das unweit der Villa an den Strand spülte? Das Gläserklirren der mondänen Partys?

Ja, all dies bleibt und noch viel mehr. Dieser Roman hallt nach, lange lassen die leuchtenden Bilder das innere Leserauge nicht los. Man möchte unbedingt wieder zurück in den Garten und das Leben der Schönen und Reichen weiter beobachten, denn das ist der Clou dieses Romans, man ist nicht mittendrin, sondern nur eine Randperson. Erzählt wird aus den Erinnerungen des Gärtners, der sechs Jahre beschreibt, in denen ein junges Paar die Sommermonate in der Villa am Meer verbracht.

Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda
Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda

„Selbst wenn wir Gärtner ein bisschen anders sind als andere Leute, weil wir mit Blumen arbeiten, so arbeiten wir doch auch mit der Erde. Das eine gleicht sozusagen das andere aus. Aber bei ihr, ich meine, bei der Senyoreta, war es, als hätte man nur mit Blumen zu tun.“ (S. 13)

Ausschnitt- und somit auch bruchstückhaft sind die Erinnerungen des Gärtners. Doch gerade darin liegt der Reiz des Romans, muss man als Leser doch entstandene Leerstellen selbst versuchen zu füllen und sich damit abfinden, dass manche Fragen nicht geklärt und manche Geheimnisse eben nicht enthüllt werden können.

Sechs Jahre lang verfolgen wir die Geschehnisse in den Sommermonaten um Rosemaria und ihren Mann Francesc. Als dann noch Eugenie, Rosemarias eigentliche Liebe plötzlich auftaucht, spitzt sich die Dramatik immer mehr zu.

Eindringlich beschreibt Rodoreda die 20erJahre der Ära vor Franco, einer Ära, die im Begriff ist zu sterben, deren Dekadenz sich spiegelbildlich in der des jungen Paares zeigt. Verlust und Einsamkeit sind wiederkehrende Themen des Romans.

Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda
Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda

„Auch das gehört zum Innenleben dieses Buches: Zwar wird viel geredet, jede Figur aber hütet ihre eigene Einsamkeit. (S. 237)

Und immer wieder wartet man in dieser glanzvoll-melancholischen Atmosphäre, in der alles möglich scheint und dennoch so wenig gelingt, auf den Auftritt des großen Gatsby. Wie kein anderes Buch schafft es „Ein Garten über dem Meer“ dieselbe Atmosphäre wie der große Roman Fitzgeralds aufzubauen, ohne nachahmend zu wirken. Über beiden Werken liegt ein dichter Nebel aus Parfümwolken, Alkoholdunst, Partygelächter, ein diffuser Nebel, der an manchen Stellen undurchdringlich ist. So wie Gatsby seine Daisy anbetet, so liebten sich Eugenie und Rosemarie. In beiden Fällen stehen wir als Leser dazwischen, ob nun an der Seite des Gärtners oder Nick Carraways, wir erleben nur ausschnitthaft die große Tragik dieser Liebesgeschichte mit, können nur vermuten, ahnen, denn die Perspektive der Liebenden bleiben uns verwehrt. Wir sind Beobachter, Zuschauer.

Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda
Der Garten über dem Meer ~ Merce Rodoreda

„Der Garten über dem Meer“ ist ein stimmungsvoller, großartiger Roman, in dem man schwelgen kann und mit dem man vor allem herrliche Partys miterleben kann. Wenn auch nur am Rand, aber was solls.

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Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche

Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche

[Junges Deutschland] Zwischen Anpassung und Auflehnung – eine zerrissene Epoche

Er ist’s[1]

Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohl bekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab‘ ich vernommen!

Eduard Mörike  (1804 – 1875)

Jeder von uns kennt sicherlich dieses traumhaft – leichte Frühlingsgedicht Mörikes, eines Dichters, der vor allem wegen seiner Naturlyrik einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte. Auch wenn Mörike kein klarer Vertreter des sogenannten Biedermeier ist, zeigen sich doch gerade in diesem Gedicht Merkmale eben jener Strömung. „Die meist allein und zurückgezogen lebenden Vertreter dieser Orientierung hatten kein einheitliches Programm[…]. Ihre Kultur baute auf Heimatverbundenheit und Religion auf. Sie wollen das Althergebrachte pflegen[…].“[2]

[Junges Deutschland] Eine zerrissene Epoche
Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche

Religion und Natur waren auch wichtige Themen für die Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff. Ihre Novelle „Die Judenbuche“ gehört meines Erachtens zu einer der besten literarisch-psychologischen Texte überhaupt, beschreibt sie doch die Entwicklung eines jungen Mannes bis hin zum Mörder. Dabei ist sie jedoch nie eindeutig oder erhebt anklagend den Finger. Ihre Darstellungsmittel sind vielmehr diffuser, vielschichtiger genauso wie die Psyche eines Menschen. Die Natur erscheint „[…] in der Novelle stets als Richter und Zeuge; sie ist nicht Stimmung oder Kulisse, [sondern] wird zu einem magischen Raum, die [Juden]buche wird zum Dingsymbol für ein Geschehen des Unheils“.[3]

Zugegeben, das erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit während des Lesens, doch gerade das genaue und präzise Verfolgen der Worte Hülshoffs ermöglicht dem Leser ein tiefes Eindringen in die Psyche eines Menschen.

Präzise und genau muss man auch bei einem anderen Dichter lesen, da man ansonsten wohl die ein oder andere Anspielung bzw. Pointe überliest. Gemeint ist „Deutschland. Ein Wintermärchen“, ein satirisches Versepos von Heinrich Heine. Konträr steht dieses Werk und auch der Dichter den beiden vorher Genannten gegenüber, bildet er doch die zweite Seite der Medaille dieser Epoche: Auflehnung, Politik, Revolution.

[Junges Deutschland] Eine zerrissene Epoche
Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche

In der Zeit des Vormärz, beginnend ab der Julirevolution 1830 in Frankreich und endend mit der Märzrevolution in Deutschland verkörpert er mit seinen Texten zwar nicht ausschließlich das sogenannte „Junge Deutschland“, eine literarische Strömung dieser Zeit, die stark politisch motivierte Schriften verfasste, jedoch kann er guten Gewissens zu diesen gezählt werden.

Sein „Wintermärchen“ ist vieles, bloß kein Märchen. Es ist vielmehr die Auseinandersetzung eines Schriftstellers, der ins Exil nach Paris ging, dessen Schriften verboten wurden und dem der Vorwurf, ein Vaterlandsverräter zu sein, gemacht wurde. Dementsprechend fallen die einzelnen „Berichte“ über seine Reise durch Deutschland kritisch bis zynisch aus.

Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche
Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche

So beschreibt er die Menschen in Aachen folgendermaßen:

„Sie stelzen noch immer so steif herum,

so kerzengerade geschniegelt,

als hätten sie verschluckt den Stock,

womit man sie einst geprügelt.“[4]

Schonungslos und politisch hochbrisant rechnet er auch mit Barbarossa ab:

„Das beste wäre, du bliebest zu Haus,

hier in dem alten Kyffhäuser –

bedenk ich die Sache ganz genau,

so brauchen wir gar keinen Kaiser.“[5]

Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche
Junges Deutschland – Eine zerrissene Epoche

„Deutschland. Ein Wintermärchen“ ist ein hoher Lesegenuss, auch wenn man vorher das ein oder andere Geschichtsbuch wälzen muss, um das Wissen über diese Zeit zu reaktivieren. Doch hat man sich das nötige Hintergrundwissen verschafft, so kann man eintauchen in eine kolossal böse Abrechnung mit aktuellen Zeitumständen, wie der Zensur, oder in die karikierenden Beschreibungen und Bloßstellungen preußischer Herrschaftssymbole, wie dem Reichsadler. Nicht zu vergessen der Blick in die Zukunft Deutschlands, der Heine von der Göttin Hammonia gewährt wird. Doch nein, er schaut nicht wie Frodo in eine silberne Wasserschale, sondern leider, leider in den stinkenden Nachttopf der Göttin. Was er da sieht….nun ja….

Euer jung-deutsches Lesebienchen

[1] aus: Deutsche Literaturgeschichte. hrsg. von Haerkötter/Trautmann. Winklers 2008, S. 89

[2] ebd.

[3] aus: Kindler Literaturlexikon Band 5, S. 613

[4] aus: Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermärchen. Reclam 2006, S. 20

[5] ebd., S. 76

Romantik – Auf der Suche nach der blauen Blume

[Romantik] Auf der Suche nach der blauen Blume
Romantik – Auf der Suche nach der blauen Blume

[Romantik] Auf der Suche nach der blauen Blume

Denkt man heutzutage an Romantik, versteht man darunter sanften Kerzenschein, leise rieselnde Hintergrundmusik, Rosen, eine sinnlich-verträumte Atmosphäre und vor allem ganz viel Gefühl.

Der Ursprung unserer Vorstellung vom Romantik liegt, wie sollte es auch anders sein, in der Epoche der Romantik. „Überall nahmen [die Dichter] Geheimnisvolles, Schauriges, Unbegreifliches und Unendliches wahr. Die gefühlsbetonten Romantiker richteten sich gegen die „nüchterne“ Klassik. […] Eine geheimnisvolle Sehnsucht nach der Ferne und der Vergangenheit war der stärkste Antrieb der Dichter.“[1]

Joseph Freiherr von Eichendorff ist der wohl bekannteste Dichter dieser Epoche. Seine Naturverbundenheit, die Faszination an geheimnisvollen, mystischen Plätzen zeigt sich deutlich in seinem lyrischen Werk. Und ja, seine Gedichte sind einfach nur romantisch, sehnsuchtsvoll, gefühlsbetont, wie gemacht für einen Abend im Kerzenschein.

[Romantik] Auf der Suche nach der blauen Blume
Romantik – Auf der Suche nach der blauen Blume

Mondnacht[2]

Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst‘.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Weniger romantisch liest sich allerdings „Heinrich von Ofterdingen“, der unvollendete Roman des Dichters Novalis. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Romanbattle zwischen Novalis und dem ehemals so hochgelobten Vorbild „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ von Goethe. Novalis war zu Beginn von Goethes Entwicklungsromans fasziniert, wandte sich jedoch im Laufe der Zeit von diesem ab, da er ihn „als undichterisch im höchsten Grade und als ein Kunstprodukt, ein Werk des Verstandes und der Ökonomie, die über die Poesie siege,“ [3] empfand.

[Romantik] Auf der Suche nach der blauen Blume
Romantik – Auf der Suche nach der blauen Blume

„Mit seinem eigenen Roman wollte Novalis den Goethes übertreffen. Gegenüber dem Wilhelm Meister wollte er alles in Poesie auflösen und der Roman sollte allmählich ins Märchen übergehen.“[4]

So sind in diesem Fragment gebliebenen Roman Elemente des Entwicklungs- und Bildungsroman mit denen des Märchens und wundersamen Begebenheiten. Gerade mit einer solchen beginnt der erste Teil, die Erwartung, welcher beschreibt, wie Heinrich, ein mittelalterlicher Sänger, zum Dichter heranreift. „Heinrich träumt in der Nacht der Sommersonnenwende, in der nach dem Volksaberglauben ein Blick in die Zukunft möglich ist. Der Traum besteht aus verschiedenen Phasen und spiegelt schon das Geschehen des Romans wider. In diesem Traum sieht Heinrich die „blaue Blume“, ein Symbol der Sehnsucht und des Erkennens. Die Blume verwandelt sich zu einem Mädchengesicht, das, wie sich in den folgenden Kapiteln herausstellt, Mathilde, seine spätere Geliebte und Ehefrau, ist.“[5]

[Romantik] Auf der Suche nach der blauen Blume
Romantik – Auf der Suche nach der blauen Blume

Der Stil des Romans ist sehr melodisch und gleicht dem Lesen eines Gedicht, Handlung und traumhafte Sequenzen wechseln sich ab. Das macht das Lesen dieses eigenwilligen Romans nicht immer leicht, doch folgt man wie Heinrich der blauen Blume und lässt sich ein auf diese Darstellung einer Welt in Poesie, so gelangt man zu einem einmaligen Leseerlebnis, was in seiner Intensität vielleicht nur die Romantik bieten kann.

Also Kerzen an und Buch aufschlagen.

Euer romantisches Lesebienchen

[1] aus: Deutsche Literaturgeschichte. hrsg. von Haerkötter/Trautmann. Winklers 2008, S. 81

[2] ebd.

[3] aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Ofterdingen, Stand 06.08.2015

[4] ebd.

[5] ebd.

Bäume reisen nachts ~ Aude Le Corff

Bäume reisen nachts ~ Aude Le Corff
Bäume reisen nachts ~ Aude Le Corff

Das Buch im Buch

Es gibt wohl kaum ein Buch wie „Der kleine Prinz“, welches Millionen von Leser, egal ob Groß oder Klein, verzaubert hat. Jeder kennt die sprichwörtlichen Sätze wie „Man sieht nur mit dem Herzen gut“.

Jeder, wirklich jeder?

Nein, die achtjährige Manon kennt den Prinzen und seinen Stern nicht. Leider, könnte man jetzt denken. Doch betrachtet man sich Manons derzeitige Lebenssituation ist das Nichtkennen des Meisterwerks von Saint-Exupery wohl ihr geringstes Problem, denn ihre Mutter ist verschwunden. Niemand weiß, wohin oder warum, sie ist weg und das schon seit mehreren Monaten. Manons Vater Pierre kann mit dieser Situation überhaupt nicht umgehen, er verkriecht sich in seiner Trauer und lässt Manon mit der ihren allein zurück.

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[Klassik] Einfach klasse!

Klassik ~ Einfach klasse!
Klassik ~ Einfach klasse!

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.“

„Durch diese hohle Gasse muss er kommen.“

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“

Die Liste dieser Zitate lässt sich noch unendlich fortsetzen, stammen sie doch von den zwei wohl größten Wortgiganten des 18. Jahrhunderts, Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Klassik – einfach klasse!

Diese beiden formten die Epoche der Klassik, verkörperten sie, eine Epoche, die in ihrem Stilverständnis und Menschenbild prägend und vorbildhaft für die kommende Zeit, ja sogar bis in die Gegenwart, werden sollte.

Ausgehend vom Geniegedanken des Sturm und Drangs stand der Mensch im Zentrum, der ganze Mensch sollte mithilfe der Kunst zu einem autonomen Individuum ausgebildet werden. Der künstlerische Anspruch folgte dabei hohen Maßstäben: die streng komponierte antike Literatur wurde vorbildhaft.

Klassik ~ Einfach klasse
Klassik ~ Einfach klasse

Ausgehend von diesem maximalen Anspruch an Literatur ist es nicht verwunderlich, dass gerade die Epoche der Klassik eine schier unermessliche Anzahl an Meisterwerken hervorgebracht hat. Allein im Balladenjahr 1779 lieferten sich Goethe und Schiller mit insgesamt 12 Texten, die in diesem Jahr entstanden sind, geradezu ein „Balladen-battle“. Werke wieDer Zauberlehrling oderDer Handschuh entstanden, die mit ihrer poetischen Kraft und ihrer Erzählkunst auch heute noch die Menschen begeistern können.

Und ja, dann gibt es selbstverständlich auch noch die dramatischen Werke. Doch welche soll man da nennen, welches zuerst, welches weglassen? Alle sind wichtig, bedeutsam, noch immer heute bekannt, werden gelesen, vielleicht auch gehasst, vielleicht im Stillen geliebt für die Wortgewalt die aus beinahe jedem Vers dem Leser entgegenschlägt.

Der „Wallenstein stand im Mai auf meiner Leseliste, eine Tragödie in 3 Teilen. In dieser behandelt Schiller den Niedergang des berühmten böhmischen Feldherrn Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein. In seiner literarischen Bearbeitung orientiert er sich nur grob an den tatsächlichen historischen Gegebenheiten. „So reichert Schiller das Geschehen um die erfundene Gestalt des Max Piccolomini an, verstärkt die symbolhaften Elemente des historischen Ablaufs […] und lässt schließlich in der Hauptfigur einen Charakter entstehen, der sich in seinem Handeln alle Möglichkeiten offenhalten will, bis die äußere Situation ihn schicksalhaft ereilt.“[1]

Klassik ~ Einfach klasse
Klassik ~ Einfach klasse

„Wallenstein“ ist das erste der fünf klassischen Meisterdramen Schillers und ja, es liest sich irgendwie auch wie das erste. Man muss sich durch diesen historisch-überhöhten Stoff durchbeißen, da vor allem die oftmals fehlende Handlung, vor allem in „Wallensteins Lager“ das Lesen doch sehr erschwert. Bleibt man aber an Wallensteins Seite erlebt man den erschütternden Untergang eines Charakters, der glaubt alles beherrschen zu können.

„Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet;

Nicht Opfer nicht Gefahren will ich scheun,

den letzten Schritt, den äußersten zu meiden;“[2]

Ganz anders wirkt da das lyrische Werk Goethes, das angefüllt ist mit kleinen poetischen Perlen[3].

Gerade „Wandrers Nachtlied gewährt einen tiefen Einblick in Goethes Zwiespalt zwischen beruflicher Tätigkeit und literarischem Schaffen.

Klassik ~ Einfach klasse
Klassik ~ Einfach klasse

Mit „Selige Sehnsucht“ hat Goethe ein bildgewaltiges und sentenzenreiches Gedicht erschaffen, das viel interpretiert und besprochen wurde, regt es doch mit seinem religiös-literarischen Thema immer wieder zum Nachdenken an.

Und ja, das muss man Goethe einfach lassen: niemand hat jemand ein treffenderes Liebesgedicht verfasst als „Willkommen und Abschied“, denn dieses zeigt sowohl inhaltlich als auch metrisch das hüpfende verliebte Herz.

Euer klassische Lesebienchen

[1] aus: Kindler Literaturlexikon Band 13, S. 950

[2] aus: Schiller, Friedrich: Dramen II, Könnemann1999, S. 384

[3] aus: Der neue Conrady. Das deutsche Gedichtbuch. hrsg. von K.O. Conrady. Patmos Verlag 2000, S. 322ff.

Fernsehen gernsehen ~ Alexander Emmerich

Fernsehen gernsehen ~ Alexander Emmerich
Fernsehen gernsehen ~ Alexander Emmerich

Glotze an, los geht’s – Fernsehen gernsehen

„Ich fand eine Liebe, die mein Leben beherrschte. Sie begleitete mich überall hin. Sie formte meine Träume, sie bestimmte meinen Alltag. Ich trauerte mit ihr, und ich lachte mit ihr. Diese Liebe konnte mit Schmerzen zufügen und mein Herz zerreißen, wie es später in meinem Leben nur Frauen vermochten. Diese Liebe war – das deutsche Fernsehen.“ (S. 7)

So beginnt das Romandebüt des Autors Alexander Emmerich. Ein herrlicher Beginn, der mich als bekennender TV-Junkie sofort angesprochen hat.

In diesem plaudernden, oftmals mit einem schmunzelnden Augenzwinkern versehenen Erzählton wird die Geschichte von Ben geschildert.

Ben ist Jahrgang 1974 und somit ein TV- Kind der 80er und 90er Jahre. Anhand der deutschen Fernsehgeschichte wird auch seine Lebensgeschichte erzählt, angefangen vom Sandkastenidol Captain Future, über Colt Seavers bis hin zur pubertären Identitätskrise, ausgelöst von der Frage, wer männlicher ist: Bill Cosby oder Al Bundy.

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[Aufklärung] Ein Siegeszug der Vernunft?

Aufklärung ~ Ein Siegeszug der Vernunft?
Aufklärung ~ Ein Siegeszug der Vernunft?

„[…] Aufklärung sei der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“[1].

So lautet eine der berühmtesten Maximen Immanuel Kants aus seiner Schrift „Was ist Aufklärung“.

„Grundgedanke der Aufklärung war die Betonung des Verstandes. Glaube und Gefühl spielten untergeordnete Rollen. Der vernunftbegabte Mensch beugte sich nun nicht mehr bedingungslos dem Willen der Kirche und betrachtete das Geschehen im Staat kritisch.“[2] Im Anschluss an die Renaissance und den Humanismus zeigt sich nun ein gänzlich neues Bild vom Menschen, der hinterfragt, Kritik übt, nach wissenschaftlichen Beweisen sucht, sich auf seine ratio beruft und verlässt.

Doch leicht vergisst man, dass das 18. Jahrhundert nicht nur eine den Verstand glorifizierende Zeit war, sondern das vor allem auch im Bereich der Literatur das Gefühl, besonders das Mitgefühl mit den literarischen Figuren, eine wesentlich Rolle spielte. So zeigt sich diese Epoche nicht nur im geistigen und wissenschaftlichen Gebiet als wegweisend für eine kritisch-hinterfragende Moderne, sondern ebenso in der Literatur.

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Lieber Mr. Salinger ~ Joanna Rakoff

Lieber Mr. Salinger ~ Joanna Rakoff
Lieber Mr. Salinger ~ Joanna Rakoff

Lieber Mr. Salinger – Joanna Rakoff

„Salinger war knallhart. Knallhart, witzig und sehr genau. Ich war Feuer und Flamme für ihn und für alles, was er geschrieben hatte.“ (S. 234)

Joanna Rakoff beschreibt in ihrem autobiographisch angehauchten Roman ein Jahr ihres Lebens. Und nicht irgendein Jahr, sondern das Jahr, in dem sie als Assistentin in der Agentur in New York gearbeitet hat, die den großen Autor J.D. Salinger vertrat.

Kurz nach ihrem Uniabschluss ergattert die junge Joanna mehr durch Zufall diesen Job. Frisch getrennt von ihrem Collegefreund, in einer neuen Beziehung zu einem angehenden Schriftsteller und mit einer großen Portion Naivität stellt sie sich dieser neuen Herausforderung. Doch mit einer Chefin ala Anna Wintour gestaltet sich der Start etwas schwierig. Jeden Morgen rauscht sie an ihrem Arbeitsplatz ohne Begrüßung vorbei und überhäuft sie anschließend mit auf Kassette aufgenommenen Texten, die über ein Diktafon abzuspielen und auf Schreibmaschine abzutippen sind. Ja, die Agentur hat etwas Besonderes, etwas Nostalgisches. Im Laufe der Zeit wird zwar ein Computer angeschafft, doch nur einer und ausschließlich für Recherchezwecke. (mehr …)

LovelyBooks – Osterwichteln 2015 – wir packen aus…

Osterwichteln ~ wir packen aus
Osterwichteln ~ wir packen aus

Am Sonntag haben wir ausgepackt und ihr dürft gucken. Das Weihnachtswichteln war schon klasse, darum haben wir nun auch Ostern mitgemacht. Danke an unsere Wichtelmamas und Danke an die tolle Organisation von Karin und Daniela (Lovelybooks). Es war wieder super!

Lesebienchen: Ei ei ei, was gabs denn da?

Endlich war es so weit, Ostersonntag. Ein wirklich sehr großes und schweres Paket hatte sich vor mir aufgebaut und wollte ausgepackt werden. Lautstark verlangte es nach einer Schere…da konnte ich ja schlecht „nein“ sagen.

Ich hab mich also von meinem hübschen, grünen Paket überreden lassen und die Schere gezückt. Zum Vorschein kamen nun viele kleinere und größere Pakete, die mit piepsiger Stimme: „Öffne mich“, riefen.

Doch nein, halt, zuerst wollte ich die liebe Osterkarte lesen und schon einmal einen Blick auf das Rätsel werfen. Ein Suchrätsel…wow!!

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Aufstieg und Fall großer Mächte ~ Tom Rachman

Aufstieg und Fall großer Mächte ~ Tom Rachman
Aufstieg und Fall großer Mächte ~ Tom Rachman

Puzzleteile: Aufstieg und Fall großer Mächte

Manche Bücher brauchen einen besonderen Zugang, eine besondere Art der Besprechung. Puzzleteile müssen sich zusammenfügen, um ein großes Ganzes zu ergeben. So auch in diesem außergewöhnlichen Meisterwerk von Tom Rachman Aufstieg und Fall großer Mächte(dtv).

Eine „normale“ Rezension wird diesem Roman über Erinnerung, Wahrheit und Verlust nicht gerecht. Vielmehr müssen einzelne Bausteine zusammengesetzt werden, um einen Zugang zu diesem Buch zu finden.

Aufstieg und Fall großer Mächte ~ Tom Rachman
Aufstieg und Fall großer Mächte ~ Tom Rachman (Quelle: Büchermagazin 1/2015)

Puzzlebaustein 1: Der Inhalt

Worum geht es in diesem Werk? Wer ist die Hauptfigur? Am besten spricht der Autor selbst zu diesen Fragen.

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