Das Feld ~ Robert Seethaler

Du musst einen Roman von Robert Seethaler lesen, sagte sie. Er schreibt wirklich gut, sagte sie. Also habe ich mir „Das Feld“ (Hanser Berlin) gekauft und losgelesen. Oder was hättest du gemacht? Ja, meine Neugierde ist immer recht schnell entfacht und ich habe schon länger vor, einen seiner Romane zu lesen. Dass ich mit dem hier beginne, war nicht geplant, aber was sind schon Pläne. 😉

Also raus aufs Feld…

Mit Feld ist der Paulstädter Friedhof gemeint. Ein sehr ruhiger Ort, den ein Mann als Rückzugsort aufsucht. Auf einer Bank lässt er seine Gedanken kreisen und oft stellt er sich vor, wie es wäre,

…wenn jede der Stimmen noch einmal Gelegenheit bekäme, gehört zu werden. Natürlich würden sie vom Leben sprechen. Er dachte, dass der Mensch vielleicht erst dann endgültig über sein Leben urteilen konnte, wenn er sein Sterben hinter sich gebracht hat. (Seite 9)

Die Ausgangssituation ist sehr einfach und gleichzeitig sehr schön. Schon die ersten Worte von Seethaler im ersten Kapitel Die Stimmen sind poetisch und ruhig, laden zum Träumen ein, obwohl wir uns auf einem Friedhof befinden. Dieser unaufgeregte Auftakt hat mich auch ein wenig unsicher gemacht, denn kann ich mich mit toten Stimmen anfreunden?

Das Feld

Schnell wird klar, dass der Roman nur so still aussieht, die inneren Stimmen aber richtig laut werden können. Mich überzieht gleich eine Gänsehaut, wenn ich an einzelne Personen denke. Eine Heide Friedland entblättert sich mit intimen Worten vor mir. Sie hat siebenundsechzig Männer gehabt, ihr erster war siebzehn, einer hat sie gerettet, ein anderer war nicht schlecht.

Von Sophie Breyer erfahren wir nur ein einziges Wort – Idioten (Seite 130).

Das Feld ~ Robert Seethaler

Man beginnt ja schon zu sterben, sobald man zum ersten Mal an den Tod denkt. (Seite 138)

Die Toten erzählen von ihrem Leben, sprechen aus dem Grab, erzählen von ihrem Tod oder beschreiben ihren Grabstein. Einige tragen Geheimnisse mit sicher herum, haben noch Fragen und auf offene Fragen Antworten. Sie beschreiben sich und ihre Lebensart, erzählen über den Ort und über andere.

Ich muss sagen, dass ich zu Beginn des Romans sehr skeptisch war. Das lag daran, dass ich einen Roman erwartet habe und nicht Kapitel von einzelnen Personen. So splittert der Roman in einzelne Kurzgeschichten, Lebensgeschichten. Doch zerbrochene Erwartungen können sich zusammenfügen und so ist es mir letztendlich passiert.

Die einzelnen Leben haben mich sehr unterschiedlich bewegt und mal mehr und mal weniger zum Nachdenken gebracht. Einige Personen haben sich nur kurz vorgestellt und konnten weiter ziehen. Andere sind mir ans Herz gewachsen und es war nicht einfach, sie gehen zu lassen. Die Idee, Tote erzählen zu lassen, mag ich sehr.

Friedhof

Robert Seethaler setzt die Kennenlern-Hürde aus meiner Sicht außer Kraft. Das Wissen vom Tod oder besser die Verlustangst im Kopf des Lesers, ist ausgeschaltet. Von vornherein ist klar, dass die Protagonisten alle tot sind und tot bleiben. Es muss kein Abschied genommen werden, der Lebensauszug der Charaktere ist das Geschenk an den Leser. Für mich eine völlig neuartige Begebenheit.

Ja, Robert Seethaler kann schreiben und ja, es klingt komisch, aber ich musste mit dem Buch auf den Friedhof gehen und die Stille des Buches nachfühlen. Friedhöfe sind für mich emotionale Orte und seit ich nun „Das Feld“ kenne, lausche ich, ob ich Stimmen höre…

Eure
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