Dass das Cover vom neuen Leyshon Roman „Der Wald“ dem grandiosen Roman „Die Farbe von Milch“ ähnelt, ist klug gelöst, der Wiedererkennungseffekt ist da. Mich hat Nell Leyshon vor über einem Jahr wirklich schwer beeindruckt und beschäftigt. Der Hashtag #teammary flutete Bookstagram und solltest du das Buch nicht kennen – bitte lies es.
Vorsichtig tastete ich mich nun an das rosane Buch heran und logisch hatte ich hohe Erwartungen. Wie sollte es anders sein…
Schon die ersten Seiten zeigten auf, dass Nell Leyshon sich von einer ganz anderen Seite präsentiert. Zwei Briefe – Stadt – Wald – Kleinstadt – darunter weitere recht lose Wörter, am Ende wieder die zwei Briefe. Schnell wird klar, dass das eine Kapitelübersicht ist, dass der Roman drei Säulen hat und die zwei Briefe den Rahmen bilden. Sowas mag ich ja sehr. 🙂
Zwei Briefe ~ Wald
Die ersten 80 Seiten habe ich am Stück gelesen, überhaupt habe ich auf den knapp 400 Seiten wenig pausiert, obwohl die Handlung nicht immer aufregend war.
Zu Beginn leben wir in der Stadt, in Warschau, bei Pawel und seiner Familie. Seine Großmama ist Ärztin, es herrscht Kriegt und Pawel möchte wissen, ob er ein Jude ist. Die Zeit ist geprägt von Angst, für viele Antworten ist wenig Zeit, die Ungewissheit ist raumfüllend. Pawel ist wissbegierig, er ist schließlich ein Kind und hat keine Ahnung davon, wie gefährlich es ist, einen englischen Kampfpiloten zu verstecken und das Geheimnisse geheim bleiben müssen…
„Wir haben nur eine Chance, unser Leben zu leben. Eine. Und manchmal leben wir eben am falschen Ort zur falschen Zeit.“ (Seite 61)
„Staub ist das Blut des Hauses“ (Seite 40)
Schlag auf Schlag passiert förmlich was passieren muss, die logische Konsequenz zur damaligen Zeit – Pawel und seine Mutter haben Glück und finden sich im Wald wieder. Eine weitere harte Zeit beginnt und Pawel fragt und fragt und ist wissbegierig und seine Mutter versucht ihm die Kindheit so schön wie möglich zu machen. Jahre später finden wir uns in einer Kleinstadt in England wieder und auch dort ist das Leben nicht einfach gestrickt. Finden sich Mutter und Sohn wieder? Können Sie sich respektieren und akzeptieren? Sind beide stark genug?
Mutter – Sohn
„Der Wald“ und „Die Farbe von Milch“ ähneln sich wirklich nur vom Cover – zwei völlig unterschiedliche Nell Leyshons und ich bin auf unterschiedliche Art angetan. Vom Lesegefühl kann ich den Roman mit „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah vergleichen.
Nell Leyshon erzählt von Pawel und Zofia – von Paul und Sofia – von zwei Menschen die nicht nur den Krieg überstehen. Vor allem die Entwicklung von Pawel hat in mir Spuren hinterlassen. Ein kleiner recht wissbegieriger und dadurch auch teilweise nervender Junge, der zu einem gefestigten Mann wird, dessen Lebensweg von den Vorstellungen seiner Mutter abweicht.
Einfühlsam erzählt Nell Leyshon eine Geschichte die sich leise liest und doch laut durch den Wald schallt. Kein Kriegsroman im herkömmlichen Sinne – ein Mutter-Sohn-Band das viel gedehnt wird, aushalten muss, schmerzt und sich doch richtig anfühlt.