Die Gabe ~ Naomi Alderman

„Die Gabe“ wurde wirklich gehypt, aber oft unter dem Originaltitel „The Power“ den Barak Obama auf die Liste seiner Bücher 2017 gesetzt hat.

Ich muss sagen, dass sich in mir ein wenig die Enttäuschung ausgebreitet hat, da meine Erwartungen wirklich sehr hoch waren. Die Londonerin Alderman hat sogar den Baileys Women’s Prize for Fiction für ihren Roman verliehen bekommen, mich lässt sie allerdings unzufrieden zurück. Gern hätte ich mit der Masse gejubelt, gern hätte ich „Die Gabe“ gefeiert und ungern erzähle ich jetzt mal, woran es lag.

„Die Gabe“ (Heyne) beginnt recht religiös mit einem Auszug aus der Bibel, dann folgt ein Schriftwechsel zwischen einem gewissen Neil und Autorin Naomi und dann beginnt der historische Roman. Diese drei Ereignisse passen richtig gut und lassen erahnen, dass der Roman in einen Rahmen eingefasst ist, der am Ende ganz sicher eine kleine Überraschung bereit hält. Wer die Seite mit dem Titel nicht aufmerksam liest, verpasst eine Kleinigkeit und vielleicht entschließt sich ihm nicht sofort alles. Ebenso wichtig ist die darauffolgende religöse Seite – ein weiteres Puzzleteil. Raffiniert gemacht, damit hat mich Alderman begeistert.

Noch zehn Jahre

Mit diesem Countdown beginnt die Zukunft. Von jetzt auf gleich bekommen die Frauen Macht. Sie bemerken, dass sie eine neue Fähigkeit dazu gewonnen haben. Sie sind nun fähig, Stromstöße zu verteilen. Diese können für Männer erregend sein, allerdings auch genauso tödlich. Das neue Organ, welches „Strang“ genannt wird, hat sich am Schlüsselbein angesiedelt.

Für Protagonistin Roxy kommt die Möglichkeit, wie ein Elektroschocker zu fungieren, gerade recht. Das Mädchen aus der Londoner Gangsterfamilie muss sich gegen die Angreifer, die es auf ihre Mutter abgesehen haben, wehren, dabei ist sie gerade erst 14 Jahre jung.
Während Roxy in London kämpft, filmt der Nigerianer namens Tunde im Supermarkt, wie sich ein Mädchen gegen einen Mann zur Wehr setzt. Der Mann geht zuckend und würgend zu Boden. Tunde veröffentlicht das Video, in dem ersichtlich ist, wie die elektrische Ladung überspringt und bekommt von der CNN das Angebot, als Journalist zu agieren.

Die Gabe ~ Naomi Alderman

Als die amerikanische Bürgermeisterin Margot das Video sieht, ist die Panik schon ausgebrochen. Schulen schließen, eine Theorie jagt die nächste und als sie ihre Tochter Jocelyn fragt, ob sie die Kraft auch in sich spürt, bejaht diese.
Allie spürt ebenfalls, dass sie die Gabe hat. Für sie ist es die ultimative Befreiung, denn sie wird missbraucht. Als ihr Pflegevater sich erneut auf sie stürzt, entfesselt sie ihre Kraft.

Noch neun Jahre

Die Welt ist eine andere geworden. Naomi Alderman entwirft ein Szenario, in dem die Frauen die Männer verdrängen und selbst das starke Geschlecht werden. Sie brauchen keine Waffen, nur ihre Finger aus denen der Strom fließt. Eine völlig neue Konstellation entsteht, die Gänsehaut und kribbeln in den Fingern beschert. Ein sehr spannendes Thema, was viel Diskussionsstoff bereithält und Alderman eine große Bühne gibt. Auf über 450 Seiten bekommen wir die volle Wucht zu spüren. Was würden wir Frauen mit unserer Macht machen? Sind wir schlimmer als die Männer? Wird die Welt eine schlechtere?

Das es sehr extrem wird, muss ich wohl nicht erwähnen. Alderman skizziert uns eine Welt die immer böser und düsterer wird. Es gibt sehr viele Gewaltszenen, auch Szenen in denen Frauen Männer vergewaltigen. Es wird blutig, elektrisierend und skrupellos. Die Männer sind in der Opferrolle und die Frauen leben sich aus. Alderman schreibt einfach und nur in eine Richtung, die Emotionen bleiben auf der Strecke und die Konflikte werden mit Gewalt gelöst. Es gibt keine Lösungsansätze – alles läuft aus dem Ruder und die drei weiblichen Hauptprotagonisten versuchen mit ihrer Frauenpower Gerechtigkeit zu erwirken und müssen sich ihrem eigenen Schicksal stellen. Und dann gibt es noch Tunde, den einzigen Mann, der mit den Frauen kann…

Die Gabe ~ The Power

Aufgrund einiger unplausibler Stellen und da ich mich fragte, warum bei mir der WOW-Effekt ausblieb, habe ich mich mit Bücher Welten auf Instagram ausgetauscht. Auch ihr ging es so, dass die Emotionen ausblieben – vielleicht hat Alderman das bewusst so gesteuert?

Ein wichtiges Buch über Machtmissbrauch, welches ich trotz einiger Schwächen recht schnell gelesen habe. Alderman hat ihre Puzzleteile gut strukturiert und am Ende so zusammengesteckt, dass ihre Leser auf jeden Fall AHA-Momente erleben, auch wenn der große Knall am Ende fehlt und die Gefühle zu den Protagonisten ausbleiben.

Eure
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