Die Kostbarkeit des flüchtigen Lebens ~ Philippe Claudel

Wenn man positive Erfahrungen gemacht hat, möchte man die natürlich gern wieder machen. Als ich also davon erfuhr, dass von Autor Philippe Claudel ein neues Buch erscheint, wusste ich, dass ich es unbedingt haben muss. Vor Jahren hat er mich mit „Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung“ berührt. Nun wollte ich mich erneut berühren lassen und vor allem intensiv die Kostbarkeit des Lebens spüren. Das ich noch intensiver über mich selbst nachdenken werde, meine Umwelt neu beleuchten und so einige philosophische Fragen durch mein Leserhirn kreisen werden, merkte ich während des Lesens. Ein Roman über tiefe Freundschaft der das Herz erblühen lässt. Frauen und die Krankheit namens Krebs kommen ebenso darin vor.

Ich gestehe aber, dass ich mich anfangs ein klein wenig mit der Erzählweise schwer tat. Wobei, es lag vielleicht an dem äußerlich recht angestaubt wirkendem Cover, welches dennoch perfekt passt. Zwei Freunde, jahrelang nebeneinander wie auf zwei Stühlen in einem Café, die ernüchternde Nachricht vom Krebs – Erinnerungen bleiben. Doch bevor diese auf den fast 200 Seiten erblühen, überzog mich ein heftiger Gänsehautschauer zu Beginn. Der Erzähler nimmt uns ins Land der Toraja mit und beschreibt einen Baum:

„Er dient als Grabmal für die Kinder, die in den ersten Lebensmonaten gestorben sind. … Im Lauf der Jahre wächst die Rinde wieder zusammen, und so nimmt der Baum den Körper des Kindes unter der wieder geschlossenen Rinde in sich auf. Dann beginnt die Reise, auf der das Kind in den Himmel aufsteigt, im geduldigen Rhythmus des wachsenden Baumes.“ (Seite 9)

Nach diesen Worten musste ich zum ersten Mal lesend pausieren. Wirklich bewegend und traurig schön.

Unser Erzähler betrauert den Tod seines besten Freundes und Produzenten. Der Krebs wurde als harmlos betitelt, Freund Eugéne belächelte seine angebliche Krankheit und musste sich doch geschlagen geben. Eugéne der Frauenheld, der immer gleich ein Kind machen musste, Eugéne der Zuhörer, der Kämpfer, dem wir in Rückblicken so nahe kommen.

Leben = Kostbarkeit

Philippe Claudel erzählt so schön leise, so poetisch und mit so wenig Handlung, dass wir uns selbst im Roman ganz viel Platz geben. Bist du dankbar? Lebst du?

Die Kostbarkeit des flüchtigen Lebens ~ Philippe Claudel

„Man kann den Körper noch so gut gepflegt haben, ihm die besten Bedingungen geboten haben, durch ausgewählte Ernährung, Sport oder eine gesunde Lebensweise. Seine Dankbarkeit ist begrenzt, denn, ganz gleich, was man getan hat, von jetzt an handelt er gegen die Person, nimmt keine Rücksicht auf ihren Wunsch und Willen. Seine Undankbarkeit macht uns zu schaffen.“ (Seite 62)

Oft leben wir 20 Jahre lang mit einem freundlichen Körper der uns allerhand verzeiht, noch mehr mitmacht und uns unbeschwert leben lässt. Ein weiteres Thema, über das ich neben den Gedanken zum Tod nachgedacht habe. Wahre Worte, schön, aber traurig.

Keinesfalls zieht „Die Kostbarkeit des flüchtigen Lebens(Thiele Verlag) herunter oder verstreut schlechte Laune. Die poetischen Worte haben sich für mich trotz Melancholie ganz weich angefühlt. Realistisch weich, bestätigend weich, wirklich angenehm und bereichernd.

Obwohl der Ich-Erzähler keinen Namen trägt, bin ich ihm recht nahe gekommen. Er ist einfach normal, lebt ein Leben wie wir und schreibt über ganz vertraute Momente. Er blickt zurück und nach vorn und vermittelt uns indirekt, dass das Leben so verdammt kostbar ist und jede Sekunde genossen werden sollte. Viel zu schnell kann es vorbei sein. Ein wahrliches Genussbuch.

Und am Ende des Romans habe ich festgestellt, dass mich Claudel erneut zum Lachenweinen brachte und mir persönlich viel mit auf den Lebensweg gegeben hat. Ganz still, poetisch und auch zärtlich.

Eure
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