Hier sind Löwen ~ Katerina Poladjan

Es waren nicht die Löwen, sondern das Mädchen auf dem Cover des Romans „Hier sind Löwen“, das mich beschäftigt hat. Ist das nicht ein ausgesprochen schönes Cover? Mit Öl auf Leinwand habe ich wenig im Sinn, aber dieser Blick. Was sieht es? Wo schaut es hin? Viel habe ich über das Gemälde von M. Sarian nicht in Erfahrung bringen können. Nur einmal konnte ich es in den Weiten des Internets finden. Ich gab mich geschlagen und reiste lesend nach Armenien. In ein mir recht unbekanntes Land.

„Wären die Bücher alle umhüllt oder lägen sie in Schachteln, könnten sie nicht miteinander sprechen, nicht atmen. Eine Schachtel ist wie ein Grab, das Buch vereinsamt und stirbt, verstehen Sie?“ (Seite 156)

Sind das nicht wundervolle Worte? Ich glaube, dass ich die Frage gar nicht stellen muss. Das Zitat ist nur eine minimale Kostprobe aus Katerina Poladjans Roman. Zwischen ihren Worten möchte man baden, viele Sätze habe ich mir markiert. Es geht um Bücher, um die Buchrestauratorin Helen und um die Geschichte Armeniens. Und ja, die Liebe kommt auch vor, wäre ja schade, wenn nicht.

Armenien

Hast du dich schon mal nach Armenien gelesen? Bei mir war es der erste lesende Ausflug und der hat mich sehr neugierig gemacht und mir gezeigt, dass ich total unwissend bin, was das Land betrifft, was an Georgien grenzt. Georgien hat mir vor allem Nino Haratischwili näher gebracht und ich muss sagen, dass Polodjans Wortschwingungen ähnlich sind. Die Atmosphäre des Buches ist so besonders, ich habe mich regelrecht geborgen gefühlt. Merkwürdig schön, oder?

Katerina Poladjans Titel trifft nicht nur den Inhalt des Romans, sondern auch mich selbst. Hier sind Löwen – damit bezeichnet man unbekannte Bereiche, weiße Flecken auf Landkarten. Für mich treffen die Löwen auf Armenien zu und auf die Buchbindekunst. Protagonistin Helen beschreibt ihr Handwerk ganz besonders und eindrucksvoll. Ich habe viel gelernt, neugierig beobachtet und gern geholfen.

Hier sind Löwen ~ Katerina Poladjan

»Hrant will nicht aufwachen« die Worte findet Helen am Rand der Bibel einer armenischen Familie und nicht nur ihre Neugierde ist erwacht. Das Rätsel der Familie möchte Helen lösen und sich im Land wohlfühlen, in dem sie mit ihrem Nachnamen nicht auffällt.

Der Gast ist der Mensch, den der Zufall zu dir führt, es ist der Mensch, den du gerufen hast und den du nicht gerufen hast.“ (Seite 102)

Hier sind Löwen

Im Nachhinein habe ich das Buch zu schnell gelesen, obwohl es überhaupt nicht kompliziert ist. Die Worte klingen, sie besitzen eine eigenen Melodie und der Roman ist so viel mehr, als ein einfacher Roman. Er ist historisch, hat leichte krimihafte Züge, er ist künstlerisch, ein wenig Roadmovie und natürlich zart von Liebe angehaucht. Und trotzdem leicht, klar, nicht zu dicht und ab und an schmerzhaft. Klingt gut? Absolut!

Ich habe wahnsinnig viel gelernt und Armenien in mein Herz geschlossen. Immer und immer wieder blättere ich zwischen den Seiten und passend zum Cover, ist der Roman inzwischen recht gelebt. Er war mit mir viel draußen, hat Ecken und Spuren im Schutzumschlag. Zu keinem anderen Buch passen diese Spuren besser. Das ich so was mal sage…

Lest und lebt Katerina Poladjan (S. Fischer) und betretet unbekannte (Lese-)-Gebiete.

Eure
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5 Comments on Hier sind Löwen ~ Katerina Poladjan

  1. Mir hat das Buch nicht ganz so doll gefallen, liebe Bini. 4 von 5 Sterne sind es geworden.
    „Helene erzählt spröde und trägt doch Leidenschaft in sich. So dringt sie in mühevoller Kleinarbeit bei der Restauration der Familienbibel vor und auch in das Land ihrer Vorfahren, welches geprägt ist vom nationalen Trauma – dem Völkermord. Nach der Reise wird die alte Heimat nicht mehr das sein, was sie mal war. Sie reist wieder nach Hause mit Unruhe und historischer Last. Es bleiben Bilder und Eindrücke zurück. Dabei haben mir die Kapitel über die Buchbinderei am besten gefallen. Bei der Geschichte über die Geflüchteten und das Erklären, wie Armenier ticken, hat sich bei mir nicht so viel Verbundenheit eingestellt.“

    Eine gute Woche wünscht Dir,
    Simone.

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