Sofia? Bist du noch hier oder wohin hat es dich jetzt verschlagen? Sofia?
Schon der Titel lässt erahnen, dass Protagonistin Sofia besonders ist. Sie trägt nicht nur immer Schwarz, sie hat auch ungleiche Augen und hangelt sich rebellisch durchs Leben. Vom italienischen Autor Paolo Cognetti habe ich bisher noch nie gehört, obwohl seinen preisgekrönten Bestseller „Acht Berge“ viele Leser umschwärmen. Aus diesem Grund wollte ich mitschwärmen und seine Sofia treffen. Ich habe sie getroffen, aber auch recht schnell wieder verloren…
Sofia kämpft sich seit ihrem ersten Atemzug durchs Leben. Ihr Ziel: glücklich und frei sein. Ihr Weg: steinig und ruhelos. Ihre Eltern weisen ihr nicht den richtigen Lebensweg, da sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Sofias Mutter Rossana ist depressiv und hat genug mit sich selbst zu tun. Auch ihr Vater Roberto hat keine Zeit, denn er lebt für seinen Job in der Automobilindustrie. Zudem führt er ein Doppelleben. Sofia bleibt Einzelkind und versucht ihr Leben auch ohne die fehlende Liebe und Geborgenheit ihrer Eltern zu leben. Sie probiert sich aus, in dem sie sich die Haare abrasiert, sie rebelliert durch und durch und als ihre Hilferufe unerhört bleiben, versucht sie sich das Leben zu nehmen.
Sofia
Schließlich findet sie bei ihrer Tante einen neuen Anfang in ein recht organisiertes Leben. Die Magersucht kommt und bleibt, auch als Sofia längst in einer Frauen-WG wohnt. Sofia kann nicht rasten, sie wird wie ein Boot im Sturm auf offenem Meer weiter getrieben. Sie findet keinen festen Platz und probiert sich immer wieder neu, sobald sie nicht weiter kommt. Mailand, Rom, New York…
„Wenn etwas nicht klappt, lässt man es am besten bleiben und fängt was Neues an.“ (Seite 220)
Ruhe finden wir im Roman von Cognetti nicht. Außerdem finden wir auch keinen Roman im herkömmlichen Sinne vor. „Sofia trägt immer Schwarz“ hat mich völlig überrascht. Die poetische Sprache, die nicht greifbare Protagonistin, die 10 Kapitel die wie 10 eigenständige Kurzgeschichten wirken. Der haptisch gleichmäßig gemusterte Schutzumschlag, die gediegen-brave Gestaltung des Covers – völlig widersprüchlich zum Inhalt. Ich bin immer noch überrascht von den knapp 240 Seiten.
Jetzt muss ich selbst erstmal atmen, denn gefühlt bin ich Sofia nur hinterher gerannt. Ich habe versucht sie zu umarmen, ich habe versucht, ein Gespräch mit ihr zu führen, doch sie ist mir immer wieder entglitten, eine Bindung hat nicht zustande kommen können. Dafür hat Paolo Cognetti auf jeden Fall gesorgt. Jedes Kapitel ist anders und wie in den Anmerkungen am Ende des Buches zu lesen ist, auch recht persönlich. Cognetti widmet jedes Kapitel einer Person aus seinem Umfeld und wer seinen Lebenslauf auf den seiner Figuren legt, wird zudem weitere Parallelen finden.
Kein herkömmlicher Roman
Sofia ist das rote Band des Romans, der Dreh- und Angelpunkt und doch sind es wir Leser, die intensive Berührungen zu ihrem Umfeld finden. Wir kennen ihre Eltern, ihre Freunde, ihre Lebensbekanntschaften viel besser als sie selbst. Gerade dieser Punkt macht den Roman so besonders, so andersartig. Und wir leben in den 70-iger & 80-iger Jahren, erleben die italienische Gesellschaft und schließlich das grenzenlose Amerika.
Nach Sofia ist für mich gewiss, dass ich „Acht Berge“ auf jeden Fall lesen werde. Denn Corinna Klein verspricht die Ruhe und Ausgeglichenheit, die jetzt fehlte. Sie hat mir Cognetti empfohlen und ich möchte ihm endlich richtig, weiter verfallen.
Liebe Binea,
ich habe „Sofia trägt Schwarz“ gerade angefangen und bin sehr gespannt. Ich verspreche mir eine Geschichte, die man eher zwischen den Zeilen liest – mal sehen, ob ich damit richtig liege 🙂 „Acht Berge“ steht bei mir auch noch aus. Ich will ebenfalls mitschwärmen!
Liebe Grüße,
Anna