„Der Zopf“ hat mich im letzten Jahr sehr berührt, ich habe ihn offline gern empfohlen und hole das jetzt online nach. Warum ich nicht eher über den Roman schrieb, den jede Frau kennen sollte, mit gutem Gewissen und Gefühl verschenken kann, kann ich mir nicht beantworten. Das Buch von Laetitia Colombani ist schnell gelesen, einfach gestrickt und zugleich tief bewegend. Es wirkt lange nach und entlockt am Ende ein tiefes Seufzen.
Beim Lesen habe ich jede Menge Sätze markiert, da Laetitia Colombani so wundervoll erzählt, so passende Beschreibungen hat und ihre Charaktere dadurch so lebendig sind. Am liebsten würde ich hier einfach nur schreiben: Lies den Roman, du wirst ihn lieben. Verschenk den Roman, er wird dem Gegenüber gefallen. Warum? Weil er so einfach und so schön ist. So emotional und so real. Er verbindet uns Frauen weltweit miteinander.
Starker Zopf
Auf den ersten Seiten lernen wir in Indien Smita, die Unberührbare, kennen. Sie ist Schmutzsammlerin und hat eine Tochter namens Lalita. Von den drei Frauen hat sie das schwerste Lebenslos gezogen. Sie ist arm, doch sie kann ihr Haar opfern, um ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen…
„Die Vergewaltigung ist eine äußerst wirkungsvolle Waffe, eine Massenvernichtungswaffe.“ (Seite 115)
Giulia muss mindestens so stark wie Smita sein, auch wenn sie in einer ganz anderen Lage ist. Ihr Vater hatte einen Unfall und sie muss dafür sorgen, dass der Betrieb in der Lanfredi-Werkstatt weiterläuft. Haare aus Indien könnten die Perückenfabrik von den Schulden befreien. Giulia müsste einen neuen Weg einschlagen. In der Bibliothek begegnet ihr ein dunkelhäuteriger Mann mit Turban und bringt ihren Herzschlag durcheinander.
„Giulia verschlingt Bücher wie andere Menschen Canneloni“ (Seite 33)
„Ihr Fahrrad ist völlig intakt, es ist ihr Herz, das ins Schlingern geraten ist.“ (Seite 101)
Drei starke Frauen
Smita und Giulia bringen das Leserherz in eine gefühlige Stimmung. Ich habe viel mitgelitten, gehofft und unter erwartungsvoller Spannung gestanden. Sarah hat mich allerdings aus diesem Gefühl mit ihrer unsympathischen Art heraus gebracht. Sie lebt in Kanada, ist Karrierefrau durch und durch. Als Anwältin hat sie eine harte Schale. Ihr weicher Kern ist Mitarbeiterin Ínes, ihre berufliche Seele. Als Sarah den Boden unter den Füßen verliert und umkippt, bröckelt ihre Fassade.
„Es empfahl sich eher zu lügen, eine Ausrede parat zu haben, irgendeine Geschite zu erfinden, alles war vorteilhafter als zuzugeben, dass man Kinder hatte, mit anderen Worten: Fesseln, Bande, Verpflichtungen. Etwas, das die Verfügbarkeit einschreänkte, die Entwicklung der Karriere ausbremste.“ (Seite 43)
„In einem Haifischbecken sollte man besser nicht bluten.“ (Seite 143)
Mehr über die drei starken Frauen zu erzählen, würde zuviel verraten. Ich glaube ich habe deutlich gemacht, dass der Roman wirklich zu jeder Frau passt – egal ob mit oder ohne Haar. Dieses Buch ist poetisch, hat wundervolle Sätze, lässt sich gut am Strand, in der Bahn oder auf dem Balkon lesen. Die drei Geschichten sind schön erzählt, auf drei verschiedenen Erdteilen verteilt, jede der drei Frauen hat einen Schicksalsschlag zu verarbeiten, eine Lebensprüfung zu bestreiten.
Ein Zopf ist nicht nur eine Ansammlung von Haaren die in Form gebracht wurden. Der Roman „Der Zopf“ besteht aus drei starken Strängen voller Hoffnung, Leben und Richtungsänderungen. Ein wirklich schöner Frauenroman fürs Herz.
„Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ / Satz aus dem Talmud (Seite 280)
Wegen dem Zopf auf dem Cover steht der Roman direkt neben Pia Ziefles „Länger als sonst ist nicht für immer„.
Hab ich auch gelesen und fand es sehr sehr schön
Liebste Grüße
Micha
Ich bin wohl eine der Wenigen, die dieses Buch gar nicht mochten. Hatte mir irgendwie viel, viel mehr versprochen. Es war mir zu oberflächlich. Mir hätte ein ganzer Roman über und mit Smita viel besser gefallen. Mit dem italienischen Handlungsstrang bin ich so gar nicht warm geworden. Aber gut, dass Geschmäcker so verschieden sind, gell!
Falls du magst, komm doch HIER vorbei.
Ich habe deine Rezi gerne als Gegenmeinung zu meiner verlinkt.
GlG, monerl
Vielen Dank für deine Verlinkung – ich hab deine Meinung gelesen.
Bei mir hat der Roman einfach gepasst, auch wenn mir anfangs nicht alle Charaktere sympathisch waren – aber so isses.
Gegenmeinungen sind immer gut und fächern den jeweiligen Roman noch etwas auf.