Mit seinem Jugendthriller „Mein böses Herz“ (cbt) hat mich Wulf Dorn sehr begeistert und mir den Mund wässrig gemacht. Als nun „Phobia“ (Heyne) das Licht der Buchwelt erblickte und ich es von Arndt zu Weihnachten bekam, wusste ich was zu tun ist: LESEN!
Thriller lese ich nur, wenn ich nicht allein in der Wohnung bin. Zudem habe ich gern vorher alles erledigt um nicht noch einmal aus dem Bett zu müssen und erst dann lese ich los. Sobald es mich zu viel gruselt mach ich das Licht aus und schlafe sofort ein.
Bei Wulf Dorn allerdings war es gerade mal 16 Uhr, also früher Abend und trotz der winterlichen Dämmerung wagte ich es, in den Roman einzusteigen. Ich. Allein. Im Wohnzimmer.
Ich wusste zwar, dass es mich sicher gruseln wird, aber dass es so schnell geht, dachte ich eben nicht. Bereits die ersten Seiten des ersten Teils kurbelten die Spannung an und auf den ersten Seiten des zweiten Teils, überkam mich die erste richtige Gänsehaut und dann begann das richtige Gruseln. Bei Thrillern trägt auch die eigene Wohnung durch ihre speziellen Effekte – auf einmal knackt es komisch, Schritte sind hörbar und auch das Quietschen von Türklinken die herunter gedrückt werden – bei. Ja – die Einbildung des Hirns beim Thrillerlesen bliebt nicht aus, vielleicht kennt ihr das auch. 😉
Wulf Dorn hätte es aber sicher auch im Sonnenschein geschafft, die Gänsehautwellen wieder und wieder zu aktivieren, denn als Leser versetzt man sich sofort in Protagonistin Sarah Bridgewater hinein und was sie erlebt, ist alles andere als lustig und schön.
Ihr Mann Stephen kommt mitten in der Nacht von einer Geschäftsreise zurück. Sarahs Gefühle sind gemischt, da das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Mann momentan nicht gerade das Beste ist und es ein wenig kriselt. Dennoch geht sie nach unten in die Küche um ihn zu begrüßen.
Doch in der Küche findet sie nicht ihren Ehemann, sondern einen Fremden mit entstelltem Gesicht. Nicht eine Ähnlichkeit hat er mit Stephen und dennoch verhält er sich so, spricht so und erwähnt Dinge, von denen nur ihr Mann weiß. Sarah kriecht die Angst durch ihren Körper und sie versucht die Unterhaltung ruhig zu führen. Sie zieht sich schnellstmöglich nach oben, wo ihr Sohn Harvey wartet, zurück und versucht sich mit ihm in Sicherheit zu bringen. Ein waghalsiger Sprung aus dem Fenster scheint die Lösung zu sein.
Als Sarah Hilfe holt und zurückkommt um ihren sechsjährigen Sohn zu retten, ist der Unbekannte fort. Das Schlimmste ist aber, dass ihr niemand Glauben schenken mag, außer ihr ehemaliger Jugendfreund und Psychiater Mark Behrendt…
Angst. Angst. Angst.
Was Wulf Dorn bereits mit seinem gruseligen Cover in die Wege leitet, führt er mit seinen Worten zum Höhepunkt. Die Angst des Lesers wird aktiviert und bleibt aufgrund mehrerer Erzählsträngen auf einem hohen Level. Während man einerseits als Leser große Angst vor dem Unbekannten hat und wissen möchte, welches Psychospiel sich dahinter verbirgt, schlüpft man anderseits in die Rolle des Unbekannten und versucht seine Position zu verstehen.
Wer Wulf Dorns erstes Werk „Trigger“ kennt, wird Mark gut in Erinnerung haben. Ich kenne seinen Erstling nicht, dennoch sind Verankerungen von gleichen Personen in unterschiedlichen Romanen oftmals spannend. Mark spielt eine große Rolle, ist aber, auch wenn er mir charakterlich gut gefällt, in seinem Dasein das große Fragezeichen. Mit Alexandra (Willkommen im Bücherkaffee) habe ich mich umfassend über Mark unterhalten und auch dank der Fragen die Alexandra Wulf gestellt hat, ordnen wir ihm die Rolle „Hintertürchen für Folgebände“ zu.
Angst. Angst. Angst.
Wulf Dorn stellt die Angst in den Mittelpunkt seines Werkes und rüttelt nicht nur an den Ängsten seiner Protagonisten, sondern auch an den Ängsten seiner Leser. Mich hat er ebenso geschüttelt und einige Angstszenen konnte ich zu gut nachvollziehen. Leider. Und doch bestärken alle Ängste, vor allem die, vor denen wir nicht weglaufen können.
Ob die Protagonisten ihre Ängste besiegen können oder sich in einem stetigen Kreislauf befinden, solltet ihr selbst herausfinden. Auch die Lebensuhr solltet ihr kennenlernen. Beim Gedanken an die Uhr, kriecht mir sogar jetzt beim Schreiben die Gänsehaut über den Rücken.
Wulf Dorn beweist auch mit diesem Roman, dass er einfach ein Psychothrillerhändchen hat.