Power ~ Verena Güntner

Der Titel voller Power, das Cover voller Wald, aber hauptsächlich wollte ich wissen, wer denn diese eigenständige Kerze ist. Was vielleicht verwirrend klingt, ist schnell entwirrt, denn Kerze ist ein kleines Mädchen, ungefähr 11 Jahre jung. Und Kerze hat ein Ziel – sie will Power, den Hund der alten Hitschke finden. Sie hat es ihr schließlich versprochen!

„Denn das ist das, was Kerze am besten kann: Versprechen halten. Jeder im Dorf weiß das, und deshalb kommen die Leute zu ihr. Beauftragen sie, wenn sie bei einer Sache nicht weiterwissen, trauen ihr zu, dass sie das schafft, dass sie alles schafft, was sie einmal zugesagt hat. Weil sie Kerze ist. Ein Licht in dieser rabenschwarzen Welt.“ (Seite 12)

Power

Kerze hat also einen ganz schönen Status in dem kleinen Dorf und sie ist nicht nur eigensinnig, sondern extrem selbstbewusst, sogar zu selbstbewusst, da sie sich auch von ihrer Mama nichts sagen lässt. Kerze ist frech, macht was sie möchte und sie will Power finden und das mit aller Macht. Pipi Langstrumpf ist die abgemilderte, sympathische Form von Kerze. Wirklich wahr.

Und doch ist sie hilfsbereit und schenkt Hitschke ihr Ohr, ihre ganze Aufmerksamkeit. In aller Ruhe und ganz detailliert, lässt sie sich alles über Power erzählen, Hitschke muss sogar nachstellen, wie Power vor dem Laden gewartet, wie Power gebellt hat. Richtig, Hitschke musste so bellen wie Power. Hitschke, die nun nicht nur ihren Mann Karl verloren hat, sondern nun auch noch ihren Hund. Die einsame Hitschke, die schon keinen guten Stand im kleinen Dorf hat.

Wald

Anders als Kerze, denn das Mädchen ist fest im Dorf verankert, strahlt eine Art Anziehungskraft, vor allem auf die Kinder, aus und so folgen ihr diese, als sie beschließt, in den Wald zu gehen. Alle Kinder die laufen können, trotten ihr hinterher, bilden ein Rudel und suchen nach Powers Fährte.

Power ~ Verena Güntner

Auch ich folgte Kerze und den Kindern, auch wenn ich zu den Großen gehöre, zu denen die nicht zum Rudel passen und nicht bleiben dürfen. Ich kann nicht anders, so befremdlich die Lage auch ist. Kerze ist wirklich ein sehr seltsames Kind, ihre Handlungen sind so irreal, so absonderlich und gleich zu Beginn hat sie in einer Art und Weise mit Hitschke gesprochen, die mich sehr abgeschreckt, wütend gemacht hat.

Irreale Handlungen

Eigentlich wollte ich an der Stelle mit „Power“ von Verena Güntner brechen. Eine zu krasse Stelle, die mir wirklich nah ging. An der Stelle habe ich Power emotional verloren und doch wollte ich wissen, was passieren wird, vor allem mit Hitschke. Ich konnte nicht weg und auch nicht hin – eine unangenehme Situation, der ich knapp 250 Seiten lang standgehalten habe. Eigentlich irre. Stellenweise konnte ich kaum glauben, was ich da las.

In zwei Teile ist der Roman gegliedert. Im ersten Teil bahnt sich die Suche nach Power an und im zweiten Teil findet die Suche nach den Kindern statt. Doch nicht nur die Suche an sich steht im Vordergrund, sondern die Dorfbewohner selbst, die nach und nach ihre wahren Gesichter zeigen. Sie werden immer angespannter, leiden unter dem Verlust ihrer Kinder und werden zu zähnefletschenden Hunden, die dem Blutrausch verfallen. Und dann immer wieder Hitschke, die der Wut der Dorfbewohner ausgesetzt ist, zur Müllhalde wird, zum Sündenbock, der Schuld daran ist, dass ihre Kinder weg sind. Wäre Power noch da, wären ihre Kinder noch da und würden sich wie Menschenkinder und nicht wie kleine Hunde verhalten.

Absurde Suche

Es passiert so viel im Roman, den ich so unbedingt lesen wollte und den mir Steffi von Bücherkinder zukommen lassen hat, da sie selbst keinen Zugang zu Verena Güntners Worten fand. Wenn ich frei über den Inhalt erzählen könnte, würden deine Augen jetzt noch größer werden, da du mir kaum glauben würdest. Ich muss auch noch verarbeiten und begreifen, was ich da gelesen habe. Zu Beginn war vielleicht klar, was mit Power passiert ist, aber es war nicht klar, was Hitschke alles zu erzählen hat und sie ist mir wirklich ans Herz gewachsen.

„Power“ (Dumont) ist kein Buch für schwache Nerven, dafür ist es zu rebellisch, zu hart, vielleicht sogar zu wirklichkeitsfremd. Es ist unangenehm, dennoch packend und am Ende hatte ich das Gefühl, als ob mich ein lautes Fingerschnippen aus einem sehr seltsamen, hypnotischen Traum herausgeholt hat.


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