Oh Leute…oh Leute…ohhhoooo!!!
Ich kann und will nicht aufhören mit lesen und ich möchte behaupten, dass dieser Roman fähig ist, Leseflauten zu beenden.Wahnsinn – ich mag es verrucht, extrem, sexuell, spannend und prickelnd. Arm und reich treffen so aufeinander, dass ständige Explosionen vorprogrammiert sind. Ich bin auf Seite 74 und behaupte, dass „Uns gehört die Nacht“ für mich ein echtes Highlight ist.
Huiiiii…
Ja, so schrieb ich auf Instagram. In zwei Tagen habe ich den Roman „Uns gehört die Nacht“ von Jardine Libaire (Diogenes Verlag) verschlungen. Die knappen 460 Seiten habe ich aufgesaugt, auch wenn ich zwischendurch nicht mehr ganz so euphorisch war. Halte dich fest, denn es wird amerikanisch, es wird sehr sexuell und drogenlastig. Moment – schalt bitte nicht ab, wenn ich dir jetzt sage, dass ein armes Mädchen auf einen super reichen Jungen trifft. Moment! Was sich hier so fade anhört, liest sich ganz anders weg.
Ende am Anfang
Juni 1987 – in einem Motelzimmer sitzt Jamey auf einem Stuhl und Elise hat das ungesicherte Gewehr auf ihn gerichtet.
Januar 1986 – Elise ist in New Haven gestrandet und freundet sich mit Robbie an. Sie stammt aus einer armen Familie und hat schon alles mögliche mitgemacht und wenn ich hier alles mögliche schreibe, meine ich auch die volle Bandbreite an schlechten Erlebnissen, die man in jungen Jahren machen kann. Elise trifft auf Nachbar Jamey, den reichen Typen und beginnt mit ihm eine sexuelle Affäre. Sie will mehr, er nicht. Soweit klingt das alles noch recht fad, was es im Buch überhaupt nicht ist. Wir erfahren nämlich abwechselnd, was in Elise ihrem Kopf vorgeht und was Jamey denkt. Das steigert die Spannung und beschleunigt den Lesefluss…
Stärker könnte der Kontrast zwischen Elise und Jamey nicht sein und hätte der Zufall sie nicht zu Nachbarn gemacht, hätten sie sich nie getroffen. Das Mädchen aus der Unterschicht und der Yale-Student.
„Jamey bewundert die Sternschnuppen ihres Geists, die pudrige Galaxie ihrer Gedanken. Elises Intelligenz ist anders sortiert als seine. Sie liest nie mehr als ein paar Seiten eines Buchs, aber sie liebt es, darüber zu reden, was sie gelesen hat. Sie denkt in wilden Gärten, während er seine Gedanken am Spalier zieht, an einem Gerüst aus Einführung, These, Argumentation und Schluss.“ (Seite 205)
Geld der Liebe?
Jardine Libaire hat mich wirklich begeistert. Schon mit dem Cover fing meine Buchliebe an. Elise ist mir ebenfalls sofort ans Herz gewachsen. Sie tat mir leid und hat mich gleichzeitig mit ihrer Art fasziniert. Extrem, taff und naiv zugleich. Einige Beziehnungen beginnen mit Sex, auch in den 80-er Jahren war das schon so. Gibst du mir Recht? Jamey habe ich anfangs genauso gehasst, wie er Elise nach jeder sexuellen Handlung gehasst hat. Sie hat sich sofort in ihn verliebt, er wollte nur Sex und am liebsten heimlich. Kurz und knapp – auch Jamey verliebt sich und dann beginnt das Drama. Seine Familie lernt Elise kennen und duldet das Mädchen aus der Gosse nicht, was angeblich nur aufs Geld aus ist. Geld/Familie oder Liebe/Elise? Jamey muss sich entscheiden…
Ich schwöre dir, dass der Roman dich aus deiner Leseflaute holt. Gerade weil das Ende?! am Anfang zu finden ist, wollen wir als Leser wissen, wie es bis zu dieser Situation gekommen ist. Die Autorin lässt uns das Knistern zwischen ihren zwei Hauptprotagonisten hören und lässt uns immer wieder in neue sexuelle Situationen geraten, bis sich die Anfang zwanzig jährigen aus dem Bett und ins Leben wagen.
„Elise ist vollkommen schnörkellos, ihre Attraktivität hat die Nacktheit eines ausgeschlachteten Autos, dessen Teile geklaut und verkauft worden sind. Das Parfum, das sie im Restaurant trug, roch wie Teppichreiniger.“ (Seite 48)
Sex – Drogen
Wir erleben, wie echte Liebe schmeckt und genießen Sätze die uns teiweise verrückt machen. Jardine Libaire könnte ihre Charaktere noch schärfer zeichnen, einige Wörter hätten besser übersetzt werden können und auch ein paar Fehler lassen uns stocken. Und ja, im letzten Drittel habe ich etwas gestöhnt, da ich ein wenig gebremst wurde. Nein, dachte ich, nein, bitte bekomm die Kurve und lass mich den Roman weiter lieben. Und ich liebe weiter, auch wenn es auch weniger Seiten getan hätten und auch wenn mir das drogenlastige Umfeld stellenweise zu viel und zu künstlich war. ABER – wer lieben will, liebt.
Extrem, sexlastig, außergewöhnlich und bestimmt keine lahme 0815-Geschichte über ein armes Mädchen und einen reichen Jungen! Spannend, vielseitig, etwas gekünstelt und doch beeindruckend gut.