
Flut
„Ich bin einundfünfzig Jahre, Zahnärztin und Nymphomanin.“ (Seite 5)
Am Strand liegend, habe ich den vier Männern die erste Seite aus „Vor der Flut“ (FVA) von Corinna T. Sievers vorgelesen. Daraufhin die Frage: wer will bitte von einer 51-jährigen Frau gefickt werden und wer will darüber lesen?
Entschuldige die vulgäre Ausdrucksweise, aber die stammt in dem Fall nicht von den Männern, sondern von der Autorin selbst und sind wir doch mal ehrlich, wir haben das Wort sicher schon mal selbst benutzt. Wenn nicht, dann jetzt…
Um auf die Frage zurück zu kommen: da gibt es schon so einige, denn die Zahnärztin ist gepflegt, schlank, sportlich und was viele Männern anzieht: kinderlos, somit im Besitz eines recht jungfräulichen Körpers. Judit(h) ihr Name – wohnhaft am Meer auf einer kleinen Insel, die einmal im Jahr von reichen Urlaubern besucht wird. Ein Monat im Jahr, in dem die Ärztin viele neue Patienten dazu gewinnt, diese aber genauso schnell wieder verliert – einmalige sexuelle Kontakte, der Geheimhaltung wegen.
Judith fickt gern
Judith selbst hält ihr Sexleben nicht geheim, sie steht dazu, sich quer durch ihren Patientenstamm zu ficken. Über 500 Männern hat sie schon gehabt und sie ist immer noch auf der Suche nach Befriedigung. Sie kann die Männer förmlich riechen. Judith ist dauergeil und teilt ihre Fantasien, wie es meist nur Männer tun. Sie ist offen, sehr direkt und ihr Mann, Hovard, Psychologe, weiß über ihre Sexsucht. Aus seiner Sicht löst Judith ihre nicht sexuellen Konflikte durch Sexualität. Seit 25 Jahren hat er keinen Sex mehr mit ihr, er liebt sie, aber ihren Körper nicht. Er verhält sich ihr gegenüber wie ein Vater und liebt es, sie zu therapieren.
„Ich bin Feministin, ich bin stolz, aber was nützt das, wenn ich Lust habe, einen Schwanz zu lutschen.“ (Seite 20)
Als Erik vor ihren Augen erscheint, weiß Judith, dass sie ihn ficken wird. Es ist nur noch offen wann, wo und wie – sie benutzt gern alle ihre drei Löcher. Während Judith ihr nächstes Ziel vor Augen hat, kommt der Eisblock ihrem Wohnhaus bedrohlich nahe. Es ist kalt, die nächste Springflut lässt nicht mehr lange auf sich warten. Die Zeit rennt und Hovard geht es nicht besonders gut…

„Ich wandele Einsamkeit in Lust und entkomme auf die Weise dem Schmerz.“ (158)
Ob ich dir das Buch empfehlen kann? Die Frage ist schwer zu beantworten, als Leseort kann ich eine Insel an der See empfehlen. Ich kann nicht leugnen, dass das Buch sehr speziell ist. Auf den über 200 Seiten konnte ich mich nicht mit Judith anfreunden, was nicht heißt, dass ich sie verachte. Ich bewundere ihre Offenheit, auch ich bin offen und gern sehr direkt. Der feministische Roman ist zudem wichtig und mutig – warum sollen nur die Männer offen über ihre Sexlust, ihre Geilheit, ihre dreckigen Fantasien sprechen?
JA – auch wir Frauen sind geil und können uns mindestens genauso wie Männer benehmen, warum auch nicht?
Sexlust
Vielleicht war ich immer mal vom Wort ficken genervt, denn es kommt sehr oft vor. Im Gegenzug befinden sich im Roman jede Menge Fremdbegriffe, regelrecht vornehme Sätze. Prüde darf man aber auf keinen Fall sein, das versteht sich sicher von selbst.
Die in Fehmarn geborene Autorin Corinna T. Sievers beschreibt nicht nur die Geschlechtsteile detailliert. Sie scheut keine Berührungen und pflanzt uns Lesern nicht nur erotische Bilder in den Kopf. Es wird pornografisch, sehr sexistisch, vulgär, ordinär, nicht nur geil.
Anfangs habe ich Judith oft bejubelt, befeiert und beklatscht, dann bemitleidet, mich sogar fremdgeschämt. Sie ist kein Freundinnentyp, eher egoistisch, kühl, steril wie ihr Arbeitsplatz und durchgehend emotionslos. Sie will keine Liebe, sondern sie strebt nach dem Fick ihres Lebens.
Gegenpol Hovard versucht Judiths Anker zu sein, will ihren inneren Sturm drosseln, den Rettungsring stets zur Hand. Aussichtslos? Und der Eisblock kommt näher…
Sexuell, spannend, stürmisch, speziell!
Ich habe vor Jahren festgestellt, dass mich diverse Bücher nicht sonderlich reizen. Hier hätte ich aber die Frage: Gibt es irgendeine Art von Happy End?
Grüße aus DD
Hey mein lieber Uwe – puh, so direkt kann man das nicht sagen. Das ist kein Buch in dem es ein Happy End geben muss – kommt ja auch ganz drauf an, worauf du das beziehst…
Grundsätzlich ist es eher recht dunkel und kalt am Ende.
Hilft das?
Allerdings, das hilft dann schon mal. Praktisch gesehen ist der Ehemann bestimmt keine so gute therapeutische Idee, liebe Bini.
Dann freu ich mich geholfen zu haben – ich würde sagen, dass das Buch nix für dich ist. Einfach so 🙂
Gibt es in diesem Buch irgendeine Art von Happy End?
Ja, es gibt ein Happy End. Zumindest war es so gemeint.
Und grossen Dank, Binea!
Liebe Corinna, wie schön dich hier zu lesen – Gänsehaut 🙂
Vielen Dank und schreib weiter!!!