Heute gibt es eine Buchvorstellung der ganz anderen Sorte und zwar habe ich die Autorin Lucy Astner zu ihrem Roman „Weil wir Schwestern sind“ (Goldmann) interviewt.
Viel Freude beim Lesen des Interviews und vor allem beim Lesen des Romans.
Weil wir Schwestern sind
In deinem Roman „Weil wir Schwestern sind“ geht es um Schwestern, die nicht wirklich miteinander verbunden sind. War der Titel dein Wunschtitel?
Mein Arbeitstitel für die Geschichte lautete „Vier von uns“, weil es mir in erster Linie darum ging, vier Frauen in ihren Dreißigern dabei zu begleiten, wie sie ihren Platz in der heutigen Gesellschaft suchen und finden, zu zeigen, wonach sie sich sehnen und was ihnen fehlt – aber auch, was sie insgeheim verbindet. Denn auch wenn die vier Schwestern auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind, verbindet sie ja alle dieselbe Sehnsucht danach, geliebt zu werden, sie gehen nur ganz unterschiedlich damit um. Und darin sind sie uns allen sehr ähnlich, finde ich – sie sind eben „vier von uns“. Der Verlag hat sich dann für einen anderen Titel entschieden, vermutlich aus strategischen Gründen. Tatsächlich ist eine Änderung des Titels durch den Verlag gar nicht so ungewöhnlich und passiert ziemlich oft, und ich vertraue als Autorin auf die Expertise der Profis.
Schwestern
Die Nachricht über die Rückkehr von Mutter Hannah bringt die Leben von Katharina, Eva, Judith und Miriam durcheinander. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Nachricht überhaupt nicht der rote Faden des Romans ist. Du bist hier bewusst vom Weg abgekommen?
Die Nachricht von Hannahs Rückkehr war tatsächlich nie als roter Faden gedacht, sondern nur als Stein des Anstoßes, um das Leben der vier Frauen gewaltig aus der Spur zu bringen. Alle vier Schwestern haben sich über die Jahre mit den „blinden Flecken“ auf ihren Seelen arrangiert, jede hat einen Weg gefunden, alte Wunden zu überdecken. Aber durch die Nachricht aus Nepal werden sie aus ihren jeweiligen Komfortzonen gescheucht und müssen sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen – und mit dem, was sie daraus für sich gemacht haben. Wenn alte Wunden aufbrechen, kann es sehr ungemütlich werden – aber es besteht auch die Chance auf echte Heilung. Und genau darum ging es mir im Roman.
Frauentypen
Warum sind deine Protagonistinnen Hausfrau, Karrierefrau, Singlefrau und Abenteuerfrau und teilweise sogar in Schubladen gepresst?
Wenn ich schreibe, werden meine Figuren lebendig und erzählen mir ihre Geschichte, und ich habe dann oft gar keine Chance mehr, ihnen dazwischen zu funken. Diese vier Frauen hier haben sich sogar sehr schnell von mir emanzipiert und ihre Geschichten sind nur so aus ihnen herausgesprudelt – das war geradezu magisch! Tatsächlich empfinde ich die Schwestern auch überhaupt nicht als klischeehaft, sondern im Gegenteil als sehr realistisch in ihren Nöten, Sehnsüchten und Gefühlen. Jede von uns kennt mindestens eine Eva, Katharina, Miriam und Judith oder erkennt sich in einer von ihnen wieder. Ich glaube, das Identifikationspotenzial ist so hoch, weil sie so menschlich sind. Aber vielleicht ist es auch so, dass wir alle im Grunde viel mehr Klischee leben, als uns insgeheim lieb oder bewusst ist.
Wieso hast du dich für Schwestern/Zwillingsschwestern und nicht für Brüder/Zwillingsbrüder entschieden?
Es ging mir in erster Linie darum, ein Buch über uns Frauen von heute zu schreiben und über all die Kämpfe, die wir im Kleinen und im Großen ausfechten, um unseren Platz im Leben zu finden. Schwestern machen es besonders interessant, weil sie dieselbe Vergangenheit teilen, aber jeweils unterschiedlich mit dieser Lebensgrundlage umgehen. Das macht es für mich als Autorin extrem spannend. Da es aber nie ein Buch über Männer werden sollte, kamen Brüder für mich zu keinem Zeitpunkt in Frage. Mein erster Roman handelt ja schon von einem Mann – diesmal wollte ich mich unbedingt uns Frauen widmen.
Zwillingsschwestern ~ Zwillingsbrüder
In welcher Schwester findest du dich am meisten wieder und welche Stelle im Roman ist dir am wichtigsten?
Tatsächlich ist in jeder Schwester ein Teil von mir verborgen – aber ich verrate natürlich nicht welcher. Meine Freunde würden vermutlich sagen, dass mir Eva und Katharina am ähnlichsten sind, Miriams Lebensweg kann ich persönlich am wenigstens nachvollziehen, und Judith möchte ich einfach nur in den Arm nehmen und feste drücken.
Am wichtigsten sind mir all jene Stellen im Buch, die sich mit Vergebung beschäftigen – damit, dass wir lernen anderen, aber auch uns selbst zu verzeihen und Frieden zu schließen. Darin liegt eine große Kraft, die mich immer wieder aufs Neue sehr berührt.
3 Sätze
Mit welchen drei Sätzen aus deinem Roman möchtest du zukünftige Leser:innen neugierig machen?
Weil es vier Schwestern sind, habe ich natürlich vier Sätze/Stellen:
„Zehn Jahre war sie nun alleine durch die Welt gereist, aber sie hatte erst nach Hause kommen müssen, um sich einsam zu fühlen.“ (Miriam)
„Katharina schloss für einen Moment die Augen und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Wenn es darauf ankam, konnte sie sich immer am besten an sich selbst festhalten.“ (Katharina)
„So viele Jahre hatte sie sich nach Liebe gesehnt – jetzt aber hatte sie verstanden, dass sie sich erst selbst lieben musste, bevor sie sich auf die Liebe anderer verlassen wollte.“ (Judith)
„Welche Mutter ließ schon freiwillig ihre vier Kinder zurück und verschwand ohne ein Wort, um irgendwo am Arsch der Welt ein Heim für fremde Waisenkinder aufzubauen? Mutter zu sein war ein Schwur – und Hannah hatte ihn gebrochen.“ (Eva)
Unterhaltungs-, Familien- und Spannungsroman – eine starke Mischung die sich hinter dem Cover nicht vermuten lässt – zwischen welchen Büchern würdest du deinen Roman in den Buchhandlungen gern stehen sehen?
Ich habe mir vor langer Zeit abgewöhnt, mich und meine Bücher konkret mit anderen Autor:innen und ihren Werken zu vergleichen, deshalb bin ich auch mit so einer Einordnung sehr zurückhaltend. Ich würde mich aber freuen, wenn ‚Lucy Astner’ mit ihren Büchern heute und in Zukunft für gute, gehobene Unterhaltung steht.
Fragen ~ Antworten
Welche Frage in Bezug auf deinen Roman hast du dir zuletzt selbst gestellt und wie lautet die Antwort dazu?
In letzter Zeit erreichte mich oft die Frage, ob ich die Geschichte von Eva, Katharina, Judith und Miriam irgendwann weitererzähle – insofern ist das vermutlich die eine Frage zum Roman, die ich mir selbst in letzter Zeit auch stelle. Aber eine Antwort habe ich ehrlich gesagt noch nicht, erstmal warten hier ein paar andere Projekte auf meinem Schreibtisch. Ich bin ja auch noch Drehbuch- und Kinderbuchautorin und arbeite gerade mit Hochdruck an der Verfilmung von meinem ersten Roman „Gott hat auch mal `nen schlechten Tag“.
Vielen Dank für die aufschlussreichen Antworten. Es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, deinen Roman zu lesen und mit dir dieses Interview zu führen.
Weiterhin viel Erfolg!
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