Ich weiß nicht, ob du dich an eine Leseregel hältst, aber es gibt viele Leser:innen die einem Buch ungefähr 50 bis 100 Seiten geben und dann abbrechen, falls der Lesefunke bis dahin nicht gezündet hat. Generell gehöre ich nicht dazu, meistens komme ich durch jedes Buch durch und oftmals habe ich doch tatsächlich das Glück, zu sehr guten Büchern zu greifen.
Ganz anders bei „Drei“ von Dror Mishani (Diogenes Verlag). Da ich sehr selten in diese Situation komme und dann trotzdem nicht aufgeben mag, habe ich einfach mal in einer Instagram-Story meine Follower:innen gefragt, ob sich das Weiterlesen denn lohnt. Da war ich schon auf Seite 120 und sehr unsicher, ob das noch was mit mir und dem Buch werden kann. So viele Antworten auf eine Story habe ich selten erhalten. Zu 98% kam die Antwort „WEITERLESEN“, auch mit dem Zusatz „es lohnt sich!“. Also? Hab ich weitergelesen…
Drei ~ Dror Mishani
Witzig war, dass es nur noch wenige Seiten dauerte, bis der Funke übersprang und ich völlig baff war. Gleichzeitig endete aber auch der erste von drei Teilen und ich musste mich von der eigentlich recht lieb gewonnenen Protagonistin Orna, alleinerziehende Mutter eines Sohnes, trennen. Die ersten Seiten habe ich mit Spannung verfolgt, denn Orna trifft über ein Datingportal auf einen Mann namens Gil. Der Austausch ist wirklich nett und ich interessierte mich gemeinsam mit Orna für Gil, der schon etwas Geheimnisvolles an sich hat. Zudem hat es Orna in ihrem Umfeld nicht leicht, die aktuelle Situation mit ihrem Ex-Mann ist etwas kompliziert und schließlich traut sie sich auf eine ungewöhnliche Reise…
So viel zu Teil eins, der mit einem wunderbaren Cliffhanger endet und uns Leser:innen völlig umgarnt und erstaunt, sogar total verstört zurücklässt. Mit dem zweiten Teil habe ich mich dann wieder etwas schwergetan, allerdings gingen dann meine Vermutungen los. Autor Dror Mishani stellt uns die religiöse Lettin Emilia vor, die ebenfalls auf einen Mann namens Gil trifft. Auch der zweite Teil endet mit einem Cliffhanger und schließlich folgt der wohl aufregendste und dritte Teil des Romans.
Kriminalroman?!
Ella heißt die dritte Frau, die auf den Mann namens Gil trifft und dann passiert, was man vielleicht ein ganz klein wenig vorausahnt. Am Ende gibt es natürlich einen Höhepunkt mit Knalleffekt und der Roman zeigt, wie vielseitig er ist. Es ist die Konstruktion, der geschickte Kniff des Autors, der einfach sprachlos macht und sich somit von anderen Kriminalromanen abgrenzt. Zudem war es sehr interessant, einen Roman zu lesen, der in Tel Aviv spielt. Es ist sogar eine TV-Serie in Vorbereitung, so steht es auf dem Buch, denn der Krimi hat sich zum Mega-Bestseller in Israel entwickelt.
Und doch hat mich „Drei“ nicht komplett überzeugt, was am sehr sanften Beginn und den aus meiner Sicht recht schwachen und auch zähen zweiten Teil liegt. Wobei das wahrscheinlich zu hart formuliert ist, denn die Spannung ist vorhanden und ja, dieses kriminelle Prickeln ist beim Lesen präsent. Das Ende hat mich letztendlich umgehauen, auf jeden Fall, aber es reicht eben nicht, wenn nur ein Drittel zu 100% überzeugt. Ich bin wirklich hin und her gerissen und möchte auf keinen Fall vom Leseerlebnis abraten, da die Konstruktion wirklich toll ist und auch die Charaktere sehr einzig und eigenartig sind. Jede Frau fasziniert auf ihre Art und ich mochte alle drei auf ihre Weise. Nur hätte keine der Frauen Gil jemals begegnen sollen. Diesem ruhigen Gil, der alles offen legt und mal da ist und dann wieder nicht. Mehr möchte ich nicht verraten. 😉
Lesen oder nicht?
Autor Dror Mishani hat mich persönlich schnell dazu gebracht, diesen besagten Gil zu hassen. Seine Art war mir anfangs sympathisch, aber dann hätte ich ihn einfach nur meiden wollen. Aber was will man machen, wenn die drei Frauen Orna, Emilia und Ella einfach nicht von ihm lassen können und wie kleine unschuldige Mäuschen hinterher tapsen und an dem schmackhaften Käse nagen? Ich tapste also mit und indirekt wollte ich natürlich Rache und Gerechtigkeit…
Lesen oder nicht? Auf keinen Fall rate ich von „Drei“ ab, dazu ist es zu speziell und so konstruiert, dass man wirklich erst im dritten Teil alles erfährt und eine große Überraschung erhält. Der Name Dror Mishani wird uns ganz sicher in der Welt der Literatur noch häufig begegnen und ich werde seinen Weg gespannt verfolgen, auch wenn ich zur Minderheit der Leser:innen gehöre, die er wohl zum falschen Zeitpunkt abgeholt bzw. angetroffen hat.
Ich hab „Drei“ gern gelesen. Dabei gibt es keine befriedigende Erklärung, warum alles so geschieht, wie es geschieht. Die Figuren sind akkurat ausgearbeitet, sogar die Nebenfiguren, worauf es zum Schluss ankommt. Das ist fesselnd geschrieben und man wartet jedes Mal auf den Kniff des Romans und bleibt lange im Ungewissen, ob die Gerechtigkeit siegt, weil viel mit Vertrauen und Verführung gespielt wird. Für mich war es ein raffinierter und überraschender Roman.
Liebe Grüße und schon mal ein schönes Wochenende gewünscht, liebe Bini!
Simone
Liebe Simone, vielen lieben Dank für deinen kurzen Eindruck. Ja, die ausgearbeiteten Figuren sind auch ein Schlüssel des Romans. Ich finde den Kniff ebenfalls klasse und hätte mir gewünscht, gleich richtig im Buch gefesselt gewesen zu sein.
Hab ebenfalls ein wundervolles Wochenende – Bini
Huhu…ich gehöre auf jeden Fall zum Team „Abbrechen“ – für alles andere ist mein SuB auch einfach zu hoch 😀 Ich rutsche sonst auch ganz oft in eine Leseflaute…und darauf habe ich auch keinen Bock.
liebe Grüße Verena
Oh nee – Leseflauten sind ganz doof – ich bin derzeit im Flow, auch wenn es da ein mächtiges Gerangel zwischen Büchern und Handarbeitsprojekten gibt – haha.