Verzweiflungstaten ~ Megan Nolan

Ist der Hype um Megan Nolans Roman „Verzweiflungstaten“ berechtigt? Auf Instagram wurde ich von Lobgesängen überspült und musste mich daraufhin natürlich selbst überzeugen. Schließlich möchte ich kein gutes, kein sehr gutes Buch verpassen und natürlich auch hier empfehlen. Aber NEIN – der Hype ist nicht berechtigt, aber ja, der Roman ist auf jeden Fall nicht schlecht. Er ist gut für lange Diskussionen, denn die konnte ich aufgrund des Hypes mit zwei Bücherfreundinnen führen. Ein wirklicher Mehrwert ohne Frage!

Verzweiflungstaten

Gleich vorweg – eine Triggerwarnung wirst du hier nicht finden, da der ganze Roman in die Kategorie „Trigger“ fällt. Er beinhaltet körperliche Verletzung/Gewalt und handelt von einer toxischen Beziehung. Hier warnt das blutrote Cover, ansonsten muss ich hier hart sagen, dass das Leben auch nicht ständig Triggerwarnungen für uns bereit hält und das man leider nicht jeden Menschen schützen kann. Der Vollständigkeit halber: auf den Fliesen ist kein Blut, sondern Erdbeermarmelade.

Megan Nolans Roman spielt im wunderschönen Dublin, ich bin gern dort gewesen und es ist immer schön, mit einer Romanfigur erneut in eine bekannte Stadt zu reisen. Nolans namenlose Ich-Erzählerin lernt in einer Galerie den aus ihrer Sicht schönsten Mann der Welt, Ciaran, kennen. Sie verliebt sich sofort in ihn und die Beziehung kommt schnell und zwar richtig intensiv in Fahrt.

Das Paar scheint von außen betrachtet glücklich, doch das Glück ist kurz und schnell wird klar, dass die Beziehung einfach nicht funktionieren kann. Doch in ihr krampft es, sie möchte ihn, sie möchte geliebt werden und sie möchte seine volle Aufmerksamkeit. Ciaran ist nicht gut für sie, doch mit aller Macht möchte sie von ihm in aller Umfänglichkeit begehrt, verehrt und abgöttisch geliebt werden. Sein Körper soll eine heilige Stätte für sie sein, sie will genießen, sie will seine Schönheit. Das Gift fängt an zu kochen und alles was kommt, verschlimmert die Situation.

Doch sie will ankommen, endlich ankommen…

Toxische Beziehung

Doch das Ankommen wird ihr schwer gemacht, denn in Ciarans Leben gibt es eine Ex-Frau, die keine wirkliche Ex-Frau ist und es gibt das Beziehungsende, was in ihr den Kampf erst richtig beginnen lässt. Und es gibt den Alkohol, der zuverlässig an ihrer Seite ist und ihr oftmals mehr Liebe schenkt.

„Wer verliebt ist, braucht nicht die ununterbrochene körperliche Anwesenheit des Geliebten.“ (Seite 17)

Verzweiflungstaten ~ Megan Nolan

Ich bin Fan von schwierigen Romanen, heißt, ich stelle mich gern harten Themen und ich habe mir innerlich erhofft, dass der Roman so gut ist wie „Tu dir weh“ von Ilaria Palomba, ebenfalls aus dem Hause Blumenbar. Das Hoffen war vergeblich und doch ist der Roman nicht schlecht. Vermutlich ist der komplette Funke bei mir nicht übergesprungen, weil ich mit beiden Charakteren nicht warm geworden bin. Bedeutet, dass Ciaran ein schöner Mann sein soll, allerdings wie ein Obdachloser beschrieben wird – löchrige Klamotten, sein Geruch, seine Erscheinung – auf mich hat er überhaupt nicht anziehend gewirkt, eher abstoßend. Dadurch konnte ich natürlich nicht so empfinden wie die Ich-Erzählerin, obwohl ich mich dennoch stellenweise zwischen den Seiten wiedergefunden habe.

Rückfallgarantie

Autorin Megan Nolan schreibt so vielfältig, dass es ihr gelingen muss, bei jedem Leser und bei jeder Leserin etwas auszulösen. Man muss keine toxische Beziehung mit einem Mann geführt haben, um sich zu finden oder um neugierig zu werden. Es ist die angeborene voyeuristische Neugierde, die uns gefangen nimmt und es ist die Ich-Erzählerin, der man doch irgendwie helfen möchte oder der man total verfällt und selbst in einen Strudel gerät. Die kleinen, aber feinen Begebenheiten des Alltags sind es, die uns abholen und nicken lassen. Es lodert und brodelt zwischen den Seiten, was auch gefährlich werden kann. Gefährlich, weil Nolan in uns ganz sicher ein Erlebnis hervorangelt, an dem wir mal geknabbert haben. Rückfallgarantie nicht ausgeschlossen.

Sie deckt eine große Bandbreite an Themen ab, die alle mit Oberflächlichkeit behaftet sind, was dem Roman völlig gerecht wird. Es geht um Abhängigkeit – die uns allen sicher schon begegnet ist, es geht um die falsche Liebe. Doch Nolans Roman ist auch gefährlich, wenn er in die falschen Hände gerät. Die Erzählerin könnte als Idol gesehen werden, denn wer einen Hang zu toxischen Beziehungen hat, könnte die Figur spiegeln, vergleichen und verfallen…

Megan Nolan

Während des Lesens habe ich mich gehetzt gefühlt, die Ich-Erzählerin hat mich eingenommen und gleichzeitig habe ich sie kopfschüttelnd von mir weggeschoben. Die wenigen Figuren haben mir imponiert, aber toxische Beziehungen bringen nun mal mit sich, dass man sich vom Umfeld immer weiter verabschiedet und zurückzieht. Einige Szenen waren mir viel zu kurz, andere unglaubwürdig oder eben klischeebehaftet. Dass sich die Ich-Erzählerin früher geritzt hat, lag sozusagen auf der Hand, viele Handlungen waren vorhersehbar. Der Alkohol schwebt nahtlos neben ihr, dass sie seine Mails checkt, ist kein Geheimnis und das Ende des Romans kommt sehr plötzlich. Wobei eben dieses klischeebehaftete eben für viele Menschen das tägliche Leben und total normal ist – leider!?

Dennoch ist es die einfache und klare Schreibe, die Nolan hervorstechen lässt, der Erzählrhythmus der begeistert. Ja, ich kann den Roman empfehlen, wenn man sich selbst als stark genug einschätzt, mit dieser Themenvielfalt und dem Ziehen im Inneren während des Lesens klar zu kommen. Ja, ich rate vom Roman ab, wenn man einen Hang zur Nachahmung hat und schon genügend schmerzhafte Erfahrungen in Beziehungen gehabt hat. Und doch bleibe ich hin und her gerissen, da mir doch das gewisse Etwas fehlte, um den Roman in den Himmel zu heben, trotz des heftigen Endes und trotz des kleinen Kloßes bei mir im Hals.

Garantiert ist, dass der Roman eine Palette an Emotionen auslösen kann und das die Verzweiflungstaten gefährlich nahekommen.


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4 Comments on Verzweiflungstaten ~ Megan Nolan

  1. Liebe Bini,

    aha, mir ist dieser Roman noch gar nicht untergespült worden auf den sozialen Kanälen ;). Also habe ich nichts verpasst, aber ich werde nun trotzdem mal nach „Verzweiflungstaten“ googeln, irgendwie hast Du mich neugierig gemacht, ts. Aber eigentlich ist ein Buch über Verletzung/Gewalt kein Buch für mich. Doch der Ort Dublin reizt mich und die Ich-Erzählerin die aus ihrer Sicht, den schönsten Mann der Welt,kennenlernt. Intensiv finde ich nämlich schon gut, und auch was ein Karl Ove Knausgard empfiehlt ;).

    Na mal sehen…

    Ein schönes Wochenende und liebe Grüße,
    Simone.

    • Liebe Simone, da bist du in einer anderen Instagramblase – was ja nicht verkehrt ist. Mir ist er zu oft untergekommen. Nun bin ich gespannt, was bei dir passieren wird – ob du ihn liest oder nicht und wenn, bitte verrate mir, wie es dir danach ging bzw. während des Lesens. Lass uns wie immer gern austauschen.

      Hab ebenso ein schönes Wochenende – Bini

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