Wollen wir alle manchmal nicht einfach nur weg, weil uns alles zu viel ist oder Dinge passieren, die wir einfach nicht mehr ertragen können? Einfach weg von dem Ort, an dem wir wohnen, um einen völligen Tapetenwechsel zu erfahren? Ich denke, dass Gefühl hatte jeder schon einmal und jeder kann sich in Elsa hinein versetzten.
Elsa Beletti hat das Gefühl weg zu müssen, denn das Leben entreißt ihr nach und nach alles. Sie möchte raus aus dem Trubel von New York und rein in das stille Leben, welches in Thunderstown auf sie wartet. Elsa sucht Ruhe und möchte diese genau dort finden, wo das Leben völlig entschleunigt ist, wo die Freiheit spürbar ist. Die Einwohner von Thunderstown sind recht eigen und die 29-jährige muss sich erst einfinden, aber Kenneth, bei dem sie zur Miete wohnt, hilft ihr dabei.
Mit Daniel Fossiter, dem angesehenen Mann der aus einer alteingesessenen Familie stammt, sollte sie es sich nicht verscherzen, wie sie von Kenneth erfährt. Er ist Bergjäger und tötet die Ziegen um den Pflanzenwuchs zu erhalten, aber er tötet auch andere Kreaturen. Elsa war Daniel von Anfang an unsympathisch, da er unmenschliche Züge an sich hat.
Kenneth öffnet sich sehr tief gegenüber Elsa und erzählt ihr von seinem verschwundenen Sohn. Auch in die alte Legende über die Entstehung der Berge, weiht er sie ein. Elsa ist dem ihr gegenüber gebrachtem Vertrauen sehr dankbar und begibt sich in die Berge. Sie braucht frische Luft, die endlosen Weiten und möchte ihre Blicke weit schweifen lassen.
Ihre Einsamkeit währt nicht lange, denn nähe des Aussichtspunktes in der Windmühlenruine beobachtete sie einen Mann. Dieser redete mit sich selbst, begann sich auszuziehen und wurde nach und nach zu einer Wolke, aus der Regen fiel. „Warte bitte“ flüsterte Elsa und aus der Wolke wurde der Mann, der sich ihr als Finn Munro vorstellte und in ihr eine Art Schalter betätigte.
Daniel Fossiter kennt den wettererfüllten und seltsamen Finn schon länger, genau wie den geheimnisvollen Aberglauben der Einwohner über das Wetter und spürt, dass sich ein Widerstandsgewitter aufbäumt.
„Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ konnte mich damals nicht richtig überzeugen, aber es wurde der Entschluss gefasst, dass Ali Shaw noch eine Chance bekommt, mich mit seinem nächsten Werk zu überzeugen. „Der Mann, der den Regen träumt“ ähnelt sich bereits optisch in der Covergestaltung, steht aber inhaltlich nicht im Zusammenhang mit benanntem Vorgängerwerk. Von Anfang an ist klar, dass es poetisch wird, verträumt und auch irgendwie märchenhaft, dank der fantastischen Elemente.
„Manchmal ist das Leben eines anderen das Einzige, was dem eigenen Sinn verleihen kann.“
Ali Shaw schreibt wahnsinnig bildlich und lässt seine Geschichte nach und nach wie eine Rose aufblühen. So strömt bei ihm der Duft der Liebe nach und nach aus, ohne kitschig zu wirken. Als Leser selbst spürt man den zarten Liebeshauch, den Elsa umgibt, wenn sie mit Finn zusammen ist. Doch auch die geheimnisvolle Stimmung zieht sich durch den Roman und schleicht sich etappenweise in den Vordergrund.
Zauber liegt in der Leseluft und lässt diesen in einem poetischen lila schimmern. Shaw bedient sich von einem nur kleinen Protagonistenkreis, um sich jedem umfassend zu widmen und seine Vergangenheit zu entschlüsseln. Nicht nur bei Elsa achtet er darauf, dass eine Bindung zum Leser hergestellt wird. Wie ein kleiner Bach der sich mit Sommerregen füllt, steigt auch die Spannung an. Allerdings ist ein Überlaufen nicht zu erwarten, was ein wenig schade ist.
Der Plot ist wahnsinnig ergiebig und voller Magie, aber ich hätte mir mehr Spannung gewünscht, denn das Potenzial dazu war greifbar. Auch dieser Roman lässt mich ein wenig unerfüllt zurück, obwohl Shaws Worte mich in eine Welt versetzten, in der ich mich gern tiefer hineinbegeben hätte, um dort zu bleiben. Das bestimmte Etwas, was ich nicht mit Worten betiteln kann fehlt mir. Es hätte noch einige Regentropfen mehr sein können, die die trockenen offenen Fragenpunkte nässen.
Und doch rüttelt der Inhalt im Leser einige wichtige Dinge wach und Fans der Poesie kommen auf ihre Kosten, denn Shaw ist ein richtiger Poesiemeister. Ein zitatgefluteter Wörterregen ergießt sich regelmäßig und bringt höchsten Lesegenuss.
Ein Märchen für Erwachsene, ein Märchen für ruhige gemütliche Stunden, ein Märchen voller Poesie.
Ich bin hin und her gerissen und bin mir doch sicher, dass er noch eine Chance bekommt, mich restlos zwischen seinen Worten glücklich zu machen.
Die Zeichnungen im Artikel stammen von Ali Shaw höchst persönlich und er ist wortwörtlich geschmeichelt, dass wir diese hier verwenden. Danke für den netten Kontakt Ali und euch viel Spaß beim Umschauen auf seiner Homepage.