Gleich vorweg muss ich sagen, dass ich am Ende dieses Buches bitterlich geweint habe. Das Nachwort hat dies veranlasst, dazu am Ende des Berichts mehr. Erst muss ich euch Paula Laurenz vorstellen, ein fünfzehnjähriges Mädel, was einen Mann anbetet.
Jeder von uns hat ein Lieblingsbuch das er sofort, wie aus der Pistole geschossen, nennen kann. So kann dies auch Paula. Ihr Lieblingsbuch und ihr größter Stolz ist “Mein Kampf” von Adolf Hitler. Paula folgt dem Führer treu und zuverlässig. Als Dank hat sie als einziges Mädchen aus dem BDM (Bund deutscher Mädel) eine signierte Ausgabe bekommen. Sie schwebt wie auf Wolken, denn sie wurde gerade zur Schaftführerin ernannt und wenn sie weitermacht wie bisher, wird sie wohl bald Scharführerin werden. Sie ist glücklich in ihrer Führungsrolle und erledigt ihre Aufgaben mehr als gewissenhaft. In Deutschland brechen neue Zeiten an und sie kann ihren Teil dazu beitragen und ist begeistert vom Führer, von Adolf Hitler.
Paula lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Haus, nicht wie ihre Freundin Mathilda, eine Halbjüdin deren Vater Arzt ist, in einer großen Villa. Sie haben aber einen eigenen Luftschutzkeller in den sie, im Jahr 1941, fast jede Nacht gehen müssen, denn es gibt kaum noch eine Nacht ohne Fliegeralarm. Paulas Mutter ist Hausfrau, ihr Bruder Hans ist stolz der HJ (Hitler Jugend) anzugehören und ihr Vater sitzt seit einiger Zeit in der Abteilung für Juden- und Räumungsangelegenheiten. Sein Aufstieg nach dem Eintritt in die Partei war rasant und bald kann über einen Umzug nachgedacht werden.
Treue und Pflichterfüllung sind sein Motto und er liebt seine Familie, solange sie genau wie er den Führer und das Vaterland verehren.
Paula geht es gut, nur Mathilda scheint sich immer mehr von ihr zu entfernen. Ihre beste Freundin besucht jetzt nicht mehr die gleiche Schule wie sie, sie bekommt Privatunterricht. Die Treffen werden seltener, zudem auch Paulas Vater gegen die Freundschaft der zwei Mädchen ist. Heimlich treffen sich die beiden auf dem Reiterhof bei den Pferden, dort sind sie relativ unbeobachtet. Doch auch dort tauchen seit kurzer Zeit die schwarzen Autos auf, jene Autos die nichts Gutes bedeuten, die vor allem Mathilda Angst machen.
Die Mädchen sind kreativ und beginnen sich Briefe zu schreiben, die sie im Geheimbriefkasten, einem Hohlraum in einem mächtigen Baum, verstecken. Auch ihre Namen ändern die beiden. Paula unterzeichnet die Briefe mit Fundevogel und Mathilda mit Lenchen und sie haben ein Freundschaftsversprechen, welches in jedem Brief zu finden ist. Der Zusammenhalt ist trotz der Umstände stark.
„Verlässt du mich nicht, verlass ich dich auch nicht.“
Der Kontakt beginnt abzureißen und genau an diesem Punkt beginnt auch ihr Leben und ihre Lebensphilosophie Risse zu bekommen. Sie fängt an zu verstehen, zu begreifen. Ihr Vater scheint nicht nur bei der Schutzpolizei tätig zu sein, sondern auch aktiv bei der Deportation der Juden zu helfen. Dem Führer wollte Paula dienen, doch nicht mit dem Ergebnis dabei ihre beste Freundin zu verlieren. Ihr Vater beginnt ihr mit seinem Handeln Angst zu machen, sie erkennt was in Münster gerade vor sich geht und beginnt zu erwachen. Dieses Erwachen, das Andersdenken, das Denken gegen Hitler handelt ihr mehr als Ärger mit ihrem Vater ein.
Paula entspricht nicht mehr seinen Erwartungen, Vaters Befehle werden nicht mehr ausgeführt und unter diesen Umständen kann er Paula nicht mehr lieben, nicht mehr akzeptieren. Sie ist nicht mehr die naive Paula und er war noch nie der liebevolle Vater, den er in Anwesenheit seiner Familie zu sein vorgab. Auch an Hans geht die Veränderung Paulas nicht vorbei und auch er handelt eigenmächtig, beginnt verbotene Lektüre wie „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner zu lesen. Und damit nicht genug…
„Vergiss nicht, was wichtig und richtig ist.“
Ein berührender Roman aus der Feder von Autorin Elisabeth Zöller. Der Roman wird aus Paulas Sicht erzählt und versetzt den Leser in die damalige Stimmung des Nationalsozialismus. Auch auf die Familienverhältnisse der damaligen Zeit geht die Autorin ein. Paulas Mutter hat nichts zu sagen, sie ist die brave Haus- und Ehefrau, sie sorgt für die Kinder, der Vater kümmert sich um das Einkommen und ist ein Nazi durch und durch. Die Kinder müssen gehorchen und haben ihren Vater als Vorbild, suchen Anerkennung in dem sie aus eigener Initiative beispielsweise eine Bücherverbrennung organisieren.
„Vaters Befehl oder ein deutsches Mädel“ (Fischer Schatzinsel) – zwei Titel die sein müssen. Sich auf einen zu einigen ist mehr als schwer. Paula – ein deutsches Mädel aus voller Überzeugung, welche sich aber immer weiter verliert und mit diesem Verlieren werden Vaters Befehle stärker und stärker. Deshalb ist der Titel Vaters Befehl und ein deutsches Mädchen von vornherein ausgeschlossen.
Ein emotionales und ergreifendes Werk – ein scheinbar fiktiver Roman…
Man darf weinen, ja, dass darf man, auch bitterlich. Mir hat es fast das Herz zerrissen bei den letzten zwei Seiten. Der Ausgang des Buches war bereits emotional, doch das Nachwort setzte alle Tränen frei, die ich an diesem Tag zur Verfügung hatte. Damit habe ich mit keiner Silbe gerechnet, diese Zeilen konnte man nicht vorhersehen und auch am Anfang des Romans war nicht ersichtlich, dass man so extrem von hinten durch die Brust getroffen wird.
Jedes Wort zum Inhalt des Nachworts würde den Roman zerstören, den Überraschungsmoment muss man selbst erleben, eigentlich hätte ich es überhaupt erst gar nicht erwähnen sollen. Doch wie kann ich sonst erklären, wie bitterlich ich geweint habe. Es klingt als ob ich wie ein kleines Kind geschluchzt hätte und ich glaube es klingt nicht nur so, ich glaube genau das habe ich getan.
Gegen das Vergessen – wir schreiben weiter über Bücher, die man kennen MUSS.
Die Buchvorstellung zu „Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens“ von Elisabeth Zöller folgt.