Kategorie: Artikel / Buchvorstellung / Rezension

[Argentinien] „Perla“ von Carolina de Robertis

"Perla" & "Die unsichtbaren Stimmen" - Herzensbücher
„Perla“ & „Die unsichtbaren Stimmen“ – Herzensbücher

Carolina De Robertis hat einen zweiten Roman veröffentlicht? Bereits im März? Wie bitte? Warum weiß ich davon nichts und erfahre es erst jetzt von meiner Freundin?

Seit März gibt es einen weiteren Roman von der Autorin die mein Herz bereits mit ihrem Debütwerk „Die unsichtbaren Stimmen“ eroberte. Mit tiefen emotionalen Atemzügen habe ich damals den Roman zugeklappt und ich konnte ahnen, was mich erwarten wird. Gefühlswelten um eine Protagonistin, die mir sicherlich wieder ebenso ans Herz wachsen wird.

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Ich traf gleich auf der ersten Seite auf eine junge Frau namens Perla. Das Psychologiestudium ist Perlas Tagesmittelpunkt, sie ist zielstrebig, hatte bei ihren Eltern eine gute Kindheit und lebt sorgenfrei. So sollte es zumindest für Außenstehende aussehen, denn Perla möchte auf sich nichts kommen lassen. Sie trägt lieber eine schützende Maske. Mit Gabriel, ihrem Freund, dem einzigen Menschen der unter ebendiese blicken kann, ist sie verstritten.

Perla erschrickt sich, als plötzlich ein nackter Mann im Wohnzimmer liegt Ein Mann der scheinbar trieft vor Nässe, ein Mann der sie anekelt und doch anzieht. Ihre Eltern haben ihre Probleme zurückgelassen und sind in den Urlaub geflüchtet, Perla muss sich allein ihrem Gegenüber, dem ganze Wasserfälle aus dem Mund zu laufen scheinen, stellen.

Perla_Carolina de Robertis-spacer-Perle

Die Autorin leitet ihren gefühlvollen und doch geschichtskräftigen Roman mit einer Szene ein, die den Leser schnell innehalten und an den Anfang des Romans zurück blättern lässt, denn folgendes Zitat, folgender erster Satz schwingt von Seite zu Seite mit.

„Manche Dinge kann der Verstand allein nicht fassen. Also hör, wenn du kannst, mit deinem ganzen Sein zu. Die Geschichte drängt hervor, verlangt, erzählt zu werden, hier, jetzt, wo ich dich so nah fühle und die Vergangenheit näher, wo sie uns ihren Atem ins Gesicht bläst.“

Perla erzählt nicht nur ihre eigene Geschichte, Perla erzählt jemanden ihre eigene Geschichte und bläst gleichzeitig eben diesen besagten Atem der Vergangenheit ins Gesicht. Sie reißt sich während ihrer Geschichte selbst die Maske vom Gesicht und wässert ihre Gedanken mit wichtigen Worten.

Perla - eine Perle von Buch
Perla – eine Perle von Buch

Ihre Eltern waren immer gut zu Perla, zu ihrem Vater hat sie ein innigeres Verhältnis als zu ihrer oftmals reservierten Mutter und doch gab es einen Bruch. Damals war sie 14 Jahre und ihre Freundin konnte es nicht lassen, in das Arbeitszimmer des Vaters zu schleichen. Perlas Vater, ein Marineoffizier, ein sogenannter Mörder. Perlas Pubertätsleben gerät ins Schwanken und ihre Gedanken beginnen tiefschürfend zu kreisen, während ihre Eltern sich in anhaltendes Schweigen hüllen.

Die Blicke auf ihre Kindheit, in der durch den Beruf ihres Vaters einige Verbindungen zu Bruch gingen, werden durch den nassen Mann angekurbelt, aber auch unterbrochen. Nicht nur Perla, sondern auch er hat eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte eines Verschwundenen.

Perla -
Perla – Gedankenfluten

Argentinien hat mein Leserherz wieder völlig erobert. Die Worte von Carolina De Robertis sind wirkliche Perlen, ebenso wie der Charakter Perlas. Das Hineinversetzen in ihr Leben gelingt von Anfang an und die zerrissenen Gefühle greifen von allen Seiten und fahren spitze Krallen aus. Ein psychisch schweres Rückblickszenario entblättert sich von Seite zu Seite und die Jahre der Militärdiktatur brennen regelrecht in den Augen.

Das Wasser im Roman kann ebendieses Brennen nicht löschen, aber Klarheit schaffen. Die damalige Zeit drängt sich zwischen den familiären Worten und dem nassen Mann in den Vordergrund, sie schwappt heraus und zeigt mit einem dicken Strahl auf die schlimmen Taten, die in der Zeit von 1976 bis 1983 verübt worden.

Perla - internationaler Coververgleich
Perla – internationaler Coververgleich

Perla entflieht während ihrer Erzählung aus einer fast geschlossenen Muschel, in der sie von außen anfangs kaum sichtbar ist. Die Begebenheiten während ihres Heranwachsens, in der sich die Muschel immer weiter öffnet, treiben sie heraus und machen sie angreifbar.

Der Mann aus dem Wasser weicht auch nach Tagen nicht von ihrer Seite und löst mit seine Anwesenheit in ihr Wortetropfen aus, die enorme Abdrücke im Lebenswellenmeer verursachen.

Perla rettete sich in eine eigene Schutzmuschel, doch die Tropfen der Erinnerung erzeugen einen Fluss, dann ein Meer und dann einen ganzen Ozean, dem Perla nicht ausweichen kann. Sie stellt sich ihrer Vergangenheit und öffnet erneut ihre Augen, die sie längst verschlossen hatte.

Carolina de Robertis umspült die Geschichte Perlas mit argentinischer Geschichte und lässt diese  zwischen emotionalen Wogen auf und ab tauchen. Die Autorin überrascht den Leser trotz leichter Vorahnungen und überzeugt mit bildlicher Sprache und realen Hintergründen.

Perla - Genussmomente
Perla – Genussmomente

Perla reiht sich im argentinischen Lesereisenregal vor allem auch neben dem Roman Wie ein unsichtbares Band von Inés Garland ein.

Perla sollte mit einem gehaltvollen Rotwein genossen werden, denn Perla belebt, Perla verändert, Perla berührt und Perla nistet sich unvergessen im sprachlichen Genussnerv des Literaturliebhabers ein.

„Mein Herz schlägt für uns beide“ von Suzi Moore aus Sicht von Zwillingen

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“Meine Schwester starb am 1. März, und das war richtig blöd. Immerhin war das mein Geburtstag. Es war unser Geburtstag. Laura war mein eineiiger Zwilling.”

“Es passierte ganz schnell…”

Diese ersten Zeilen aus dem Kinderroman „Mein Herz schlägt für uns beide von Suzi Moore (CBJ) haben wir bis heute nicht vergessen. Zu sehr hat uns dieses Buch nachhaltig beschäftigt und zu intensiv war der Meinungsaustausch mit der Autorin vor und nach dem Schreiben unseres Artikels. Die einzigartige Erzählperspektive aus Sicht der neunjährigen Emma, deren Zwillingsschwester am gemeinsamen Geburtstag stirbt, hält uns bis heute gefangen und hat in der Buchvorstellung von Literatwo für tiefe und aufrichtige Worte gesorgt.

Und doch fehlte uns ein ganz besonderer Blick auf das emotionale Geschehen. Wie würden Zwillinge auf den Roman reagieren? Wie plausibel und greifbar würde das Erzählte für Menschen sein, die durch ein ganz besonderes Band miteinander verbunden sind? Wir mussten nicht lange suchen, denn dies ist nicht der erste Roman, bei dem wir uns diese Frage stellten.

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[Silber] Das erste Buch der Träume von Kerstin Gier

Silber - Das erste Buch der Träume - Trilogieauftakt
Silber – Das erste Buch der Träume – Trilogieauftakt

Endlich ist es da, endlich, endlich, endlich. Wie lange ist es her, dass ich die Edelsteintrilogie aus der Gier-Schreibfeder gelesen habe? Gefühlte Jahrzehnte und darum wurde es wirklich Zeit, dass Silber – Das erste Buch der Träume (Fischer Verlag) auf dem Buchmarkt erschien.

Ja, Bücher von Kerstin Gier gibt es viele, aber ich wollte keinen Roman für Frauen, sondern ein Jugendbuch und zwar ein Jugendbuch mit fantastischen Elementen und ehrlich gesagt auch eine Trilogie. Obwohl wir ja bei vielen Trilogien skeptisch sind, bin ich mir diesmal sicher, dass es der Autorin, so wie beim ersten Mal, wieder gelingen wird, ihre Fans zu überzeugen.

Silber - Das erste Buch der Träume_Kerstin Gier_Spacer

Der Roman silberte mich so sehr an, dass ich ohne schuldhaftes Zögern sofort einsteigen musste. Olivia Silber, die 15 jährige Protagonistin vermittelte mir mit ihrer jugendlichen Art gleich das Gefühl, hier richtig zu sein. Wobei es in ihrer Nähe nicht gerade gut roch, denn bei der Kontrolle auf dem Londoner Flughafen musste sie ihren Koffer öffnen und in dem befand sich Schweizer Rohmilchkäse, ihr Mitbringsel. Bäx!

Na das war vielleicht ein holpriger Start in ihrer neuen Heimatstadt. Nach sechs Umzügen sollte endlich ein fester Wohnsitz gefunden sein, doch wer weiß, ob sich ihre Mutter bald wieder neu verliebt? Patchworkfamilie ist das neue Wort, welches Liv umschwirrt, denn Ernest Spencer, ihr neuer Stiefvater, hat bereits zwei Kinder. Mit ihrer Schwester Mia, ihrer Mutter und ihr wächst die Familie also rapide an, zudem die gute Lotti, langjährige Haushälterin, und Hündin Butter, eigentlich Princess Buttercup formerly known as  Doctor Watson, in der Aufzählung nicht fehlen dürfen.

Silber - Das erste Buch der Träume - fliegend Träumen
Silber – Das erste Buch der Träume – fliegend Träumen

Das erste Abendessen, was gleichzeitig zum gegenseitigen Beschnuppern diente, verlief nicht wirklich glatt, denn Florence rastete bei einer getroffenen Zimmeraufteilungsentscheidung förmlich aus. Ihr Zwillingsbruder Grayson war entspannter und wirkte auf Liv mit seiner geheimnisvollen Art recht anziehend. Anziehend wurde es auch für Liv, als Grayson ihr von sich ein Shirt lieh, da sie ihres mit Orangensaft bekleckerte. Peinlich! Und doch hatte es etwas Positives, denn ein seichtes Kontaktband war geknüpft, zudem umhüllte ihren Stiefbruder regelrechter Geheimnisduft.

Der erste Schultag ließ natürlich nicht lange auf sich warten und Liv musste sich mal wieder mit neuen Schulregeln vertraut machen. Merken sollte sie sich gleich, dass es an der Frognal Acadamy jemanden gibt, der über alles Bescheid weiß. Liv erfährt, dass Secrecy auf dem Tittle-Tattle Blog neusten Tratsch von vorne bis hinten bekannt gibt und jeder auf der Hut sein muss, um nicht selbst in einem Gerücht vorzukommen.

Silber - Das erste Buch der Träume - fliegend Träumen
Silber – Das erste Buch der Träume – Traumweltworte

Neue Hürden gibt es auch in London zu bewältigen, allerdings konnte Liv bisher immer gut schlafen und träumen. Liv fühlte sich allerdings völlig neben der Spur als ihre Traumwelten mit der richtigen Realität kollidierten und sich irgendwie vermischten. Es wurde mehr als geheimnisvoll, da Grayson und seine drei Cliquenfreunde darin auftauchten. Jasper, Henry und Arthur kamen Liv sofort bekannt vor. Den Jungs ging  es ähnlich und eine Gänsehaut überkam alle.

War der Traum mit den vier Jungs auf dem Friedhof kein Traum?

Woher wissen die Jungs so viel von Liv ohne sie zu kennen und was war das für ein düsteres Ritual, für eine magische Zeremonie?

Silber - Das erste Buch der Träume - fliegend Träumen
Silber – Das erste Buch der Träume – traumhafte Gestaltung

Dream a little dream – ja, dies habe ich getan und vorab muss ich sagen, dass sich meine Traumwelt verändert hat. Wir träumen ja alle täglich, so heißt es jedenfalls und seit ich in mein erstes Buch der Träume lesend eingestiegen bin, träume ich irgendwie intensiver.

Klingt komisch? Ist es ehrlich gesagt auch, aber ich konnte mich in der Phase in der ich im Roman gelesen habe, besser an meine Träume erinnern. Komisch, ich weiß. Jetzt hat es allerdings nachgelassen, was vielleicht daran liegt, dass ich den zweiten Teil dringend benötige?

Leicht kritisch muss ich sagen, dass ich nicht ganz vom Silberhocker gerissen wurde, denn es dauerte einige Seiten, bis ich mit dem Auftaktband richtig warm wurde. Ich erwartete eigentlich sofort gepackt zu werden, wurde aber nur langsam von den Traumschwaden eingehüllt. Aber der Knackpunkt kam und an ein Weglegen habe ich nicht eine Sekunde gedacht, denn dazu war und ist mir Olivia einfach zu sympathisch.

Silber - Das erste Buch der Träume_Kerstin Gier_Traumwelt
Silber – Das erste Buch der Träume – träumend denken!

Einen echt klasse Charakter präsentiert Kerstin Gier, bei dem es noch viele Möglichkeiten der Veränderung und Entwicklung gibt.

Ein absolutes Highlight ist neben dem frischen und jugendlichen Schreibstil die Idee, ein Blog zu erstellen, das sich immer wieder mit wilden Spekulationen füllt. Grandios ist es, dieses Blog auch in echt finden zu können. Jeder Leser wird dies wohl gleich sofort ausprobieren und die ersten Einträge auf Tittle-Tattle aufsaugen. Geschickt ist es auch, kein Datum darin zu verankern, somit ist das Blog zeitlich ungebunden. Raffiniert, aber irgendwie auch irritierend.

Silber – Das erste Buch der Träume – „Klick zum Blog“

Der Auftakt der Silber-Trilogie ist Kerstin Gier definitiv gelungen und jeder Leser wird sich immer mehr hineinträumen, denn das Potenzial zur Steigerung ist groß und ich behaupte mal, dass der Lesealtersrahmen ebenso groß gefächert ist. Einem Mädchen wird der Roman im Alter von 16 Jahren wohl genauso gut gefallen wie einem 28-jährigem Mädchen. Zudem würde ich auch behaupten, dass männliche Leser ebenso gut in Träumen versinken können.

Kitsch oder pinke Angelegenheiten gibt es weniger, dafür Geheimnisse und ein nicht gerade ungefährliches Ritual. Der Funken Liebe ist natürlich vorhanden, wie im echten Leben sozusagen 🙂

Und nicht nur inhaltlich ist der Roman durchzogen von Gefühl und Spannung, auch äußerlich ist er aufregend und abwechslungsreich gestaltet, was ihn zu einem echten Hingucker macht. Selbst wenn man den Schutzumschlag entfernt, ist der Buchdeckel traumhaft verziert und einige Seiten sind mit Ausschnitten des Covermuster bedruckt. Zum Träumen schön und dass der Roman fantastisch angehaucht ist, wird jedem der zugreift bewusst.

Silber - Das erste Buch der Träume - träumend denken!
Silber – Das erste Buch der Träume – Kerstin Gier

Der Gedanke andere Mitmenschen in Träumen zu treffen ist grandios und dadurch verlängert sich der Tag um eine lebendig schlafende Nacht. Das wäre es doch! Meine Traumtür habe ich schon gefunden und ich habe festgestellt, dass diese gar nicht so weit von der Tür mit dem Messing-Türknauf in Form einer gekrümmten Eidechse entfernt liegt.

Viel Vergnügen beim Lesenträumen!

P.S. Wie sieht eurer Traumtür-Türknauf eigentlich aus?

[Herzensdenkmal] Die Bücherdiebin – Markus Zusak

Die Bücherdiebin ~ Markus Zusak
Die Bücherdiebin ~ Markus Zusak

Bücherdiebin

Herzensbücher sind wohl so richtige Herzensbücher, wenn sie ein zweites Mal gelesen werden.

Oftmals bleibt wenig Zeit bei der Bücherflut auf dem weiten Buchmarkt erneut zu einem Schatz zu greifen, der das Leserleben vor ein paar Jahren richtig erhellte. Manchmal muss es aber sein und seit Weihnachten 2012 ruft eines meiner absoluten Lieblingsbücher danach, wieder in die Hand genommen und vor allem gelesen zu werden. Knapp vier Jahre ist es her, dass ich Markus Zusaks Werk regelrecht verschlang.

Ein besonderes Wort hat sich bei mir eingebrannt, ein Wort welches ich nie, nie, nie vergessen werde.

Ein magisches Wort, das Liesel Memingers Pflegemutter Rosa Hubermann zuzuordnen ist. Ein Wort welches den kompletten Roman durchzieht und eine mehr als tiefe Bedeutung hat. Klingt anders? Ist es aber nicht! Erlest es und ihr werdet das Wort ebenso lieben.. Versprochen, ihr Saumenschen! 😉

Viele  von euch werden diesen wichtigen Jugendroman bereits gelesen haben und auch dieses Wort kennen und das ist auch gut so! Dennoch gibt es eine kleine Schnittmenge an Lesern, die von diesem Werk noch nichts gehört haben.

Ich selbst habe Arndt lange davon vorgeschwärmt und ihm davon erzählt, dass die Bücherdiebin nach einem 2. Mal gelesen werden ruft und ich selbst musste Liesel wieder treffen und ihr vor allem ein Artikeldenkmal setzen.

JETZT!

Unerwartet und darum umso erfreuter war ich, als Arndt sich „Die Bücherdiebin“ kaufte und mir sagte, dass es sobald ich das Zauberwort JETZT ausspreche, lesend losgeht. Also JETZT! Somit begaben wir uns beide gemeinsam lesend ins Jahr 1939, in den kalten Monat Januar, zurück und trafen den Tod.

Ihr seid noch nie dem Tod begegnet? Gut so, was das reale Leben betrifft, im fiktiven Leserleben sollte dies dringend nachgeholt werden.

Liesels Pflegevater trägt den Namen Hans Hubermann und eigentlich sollte Liesel gemeinsam mit ihrem Bruder in der Himmelsstraße in Molching, einem fiktiven Ort nähe München, ankommen. Die eisige Zugfahrt und der schlimme Hustenanfall kosteten Werner das Leben und der Tod kam Liesel zum ersten Mal ganz nah. Doch nicht nur der Tod, auch ein Buch namens „Handbuch für Totengräber“ kommt Liesel nah und zwar ganz nah, denn sie stiehlt es nach Werners Beerdigung. Die Karriere der Liesel Meminger, der sogenannten Bücherdiebin, beginnt.

Und wer begleitet die neunjährige Liesel die ganze Zeit? Kein Geringerer als der Tod selbst. Der Tod? Richtig, der Tod, denn dieser erzählt die Geschichte der Bücherdiebin mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten, er hält das Wortzepter in der Hand und trägt die tödliche Verantwortung.

Saumensch

Liesel freundet sich von Tag zu Tag mehr mit dem gestohlenen Büchlein an, ohne es lesen, ohne Worte des Inhalts wirklich erahnen zu können. Ihr Pflegevater steht Liesel in der schweren Anfangszeit bei, hilft Liesel beim Verkraften des Bruderverlustes und er bringt ihr das Lesen bei. Die schönste Beschäftigung und der beste Fluchtpunkt aus einer kalten Welt, in der ein Mann namens Hitler an der Macht ist.

Zudem schenkt Rudi Steiner, Fan vom olympischen Läuferheld Jesse Owens, Liesel sein Herz. Er wäre gern so schnell wie Jesse, würde Liesel gern einmal richtig küssen und ist für jedes Abenteuer an Liesels Seite bereit. Ein echter, treuer und herzensguter Freund.

Und dann tritt ein Mensch in Liesels Leben, der ihr Herz von einer ganz anderen Seite berührt und in den Keller zieht. Richtig, in den Keller! Ein Mann, ein Jude, ein Freund, der den Namen Max Vandenburg trägt und sich verstecken muss, denn in dieser Zeit geht von ihm große Gefahr aus…

„Die Bücherdiebin“ ist ein Werk fürs Herz, eine regelrechte emotionale Wörterbombe die einschlägt und sich einen Weg in die Langzeiterinnerung jedes Lesers brennt. Wetten? Ich bin glücklich Liesel jetzt schon zweimal begegnet zu sein und Arndt ist glücklich, dass er sich mir angeschlossen hat und seine „Gegen das Vergessen“ – Bibliothek um einen weiteren Roman ergänzen konnte.

Wörterbomben

Auch wenn der Roman hauptsächlich an einem fiktiven Ort spielt, hat er durch und durch reale Schnittpunkte und trägt prägende Wörter in sich.

Arndt hat die Bücherdiebin sogar in den Fahrradsattel getrieben, denn wenn man in der Nähe von Dachau lebt, den Fluss Amper vor der Haustür hat und zudem in einer Stadt wohnt, in der es ein Denkmal an die Todesmärsche (April 1945) gibt, ist eine Tour auf den Spuren des Romans unausweichlich. Mir hat Arndt dadurch noch zusätzliche Bilder geschenkt, die unsere Lesereise noch mehr untermalen und das gemeinsame Band verstärken.

Nicht nur inhaltlich ist der Roman voller Tiefe, auch die Gestaltung, innen wie außen, ist ein Kunstwerk. In 10 Teile ist der Roman gegliedert und jeder dieser ist in Kapitel unterteilt, die der Tod in seiner Art gestaltet. Der Tod kann selten Dinge für sich behalten und konfrontiert den Leser gleich zu Beginn in Stichpunktform mit den wichtigsten Inhalten der folgenden Seiten.

Dieses Stilmittel ist keinesfalls störend und raubt auch keine Illusionen, denn der Tod möchte diese Illusionen auch gar nicht erst zulassen.

Der Tod ist hart, aber auch der Tod hat ein Herz.

Einen Jugendroman, der in der Zeit des Nationalsozialismus spielt und so emotional umfassend ist, wie ihn Markus Zusak schreibt, ist selten. Denn diese Art der Aufmachung ist bisher wirklich einmalig und öffnet außergewöhnlich die Leseraugen und schärft den „Gegen das Vergessen Sinn“.

Tod

Bücher spielen  für die Protagonistin eine wichtige Rolle und sind der Anker in einer Zeit, die wir selbst zum Glück nie erleben mussten. Die Beziehungen der verschiedenen Charaktere sind so sagenhaft brillant geschildert, dass sie unvergessen bleiben. Zudem gibt es zwei absolute Besonderheiten zwischen den Seiten, die sich einbrennen. Merkt euch neben dem Wort Saumensch, auch die zwei Worte Überstehmann und Worteschüttlerin.

„Die Bücherdiebin“ hat mein Leserleben nun bereits zum zweiten Mal augenöffnend erleuchtet, Arndts Herz genauso schnell erobert wie meins damals und bekommt in unserer Schatzstraße der Literatur die unvergessliche Hausnummer „45“. Liesel, die kleine Bücherdiebin, hat unsere Herzen gestohlen!

Aus dem Ich-Denkmal, wird jetzt ein Wir-Denkmal und unserem Denkmal sollten noch viele weitere folgen!

Der Superschalker packt aus…

Post vom Superschalker Markus Rybacki
Post vom Superschalker Markus Rybacki

…und erstaunt Literatwo!

Ja, auch Kurzgeschichten können uns vom Hocker reißen und erstaunlicherweise auch noch eine, die mit dem Verein FC Schalke 04 zu tun hat.

Ja, der Superschalker hat uns zum Staunen gebracht!

Arndt ist Bayern München Fan und ich bin Dynamo Dresden Fan, was den meisten Lesern hier wohl bekannt ist. Unsere Herzen schlagen seit wir Markus kennen, nicht bei jedem Spiel (ich denke da an Begegnungen zwischen Bayern und Schalke, da zwischen Schalke und Dynamo höchstens mal Freundschaftsspiele stattfinden (ab 2016 wird das dann anders), aber bei vielen Spielen blau-weiß.

Die Königsblauen stehen seit unserer Freundschaft mit Markus in einem anderen Licht bei uns.

Superschalker
Superschalker – „Mit Schalke is wie frisch verliebt“

Gestern und heute erreichte uns von Markus Post (TAUSEND DANK). Jeweils aus anderen Gründen, dennoch war das gleiche Büchlein dabei. Der Titel 1904 Geschichte Mit Schalke is wie frisch verliebt brachte uns schon zum Schmunzeln. Eine Anthologie, herausgeben von Matthias Berghöfer (VERLAG DIE WERKSTATT), mit herrlichen Geschichten von Schalke-Fans aus allen Milieus.

Unsere Lieblingsgeschichte ist natürlich die vom Autor Markus Rybacki und trägt den Namen „Die falschen Socken“.

Vor wenigen Minuten haben wir diese gelesen und Tränen in den Augen vor Lachen. Einfach grandios geschrieben im einfachen Schalke-Jargon. Die Kurzgeschichte handelt von Markus selbst. Er lässt die Leser an der Steigerung seiner Rituale und seines Aberglaubens teilnehmen und schreibt in einer genauso witzigen Art, wie wir ihn kennengelernt haben und inzwischen ein wenig kennen.

Superschalker_Markus Rybacki_Mit Schalke is wie frisch verliebt_Spacer

Jeder Fußballfan hat seine Rituale und findet sich wohl bei den Sätzen zur Trikotwahl wieder. Doch bei Markus steigert sich das Fieber um das Wohl des Vereins immer mehr, denn falsch ausgeübte oder vergessene Rituale könnten zur Niederlage führen.

Grandios, einfach grandios und wahnsinnig unterhaltend. Lachtränen sind vorprogrammiert und bei jedem Kontakt mit Markus, werden wir wohl daran denken, wie er auf dem Sofa vor dem Fernsehr sitzt und seine Sitzposition nicht verändert, um seinem Herzensverein einen Sieg einzufahren.

Mein Leben als Superschalker - das Webblog
Mein Leben als Superschalker – Markus Rybacki

Mehr verraten wir nicht, aber wir empfehlen diese Anthologie einfach allen Fußballliebhabern. Nicht nur bei Schalke-Fans sind diese Kurzgeschichten ein Volltreffer und wer von diesen 44 Geschichten nicht genug hat muss nicht traurig sein, denn es gibt bereits weitere Bände.

Der Superschalker hat natürlich nicht nur eine Homepage, sondern auch ein Blog. Besucht ihn einfach mal!

Blau-weiße Daumen hoch und Glückauf!

P.S. Was sind eure Rituale vor oder während eines Fußballspiels?

Die wundersame Geschichte der Faye Archer von Christoph Marzi

Die wundersame Geschichte der Faye Archer -
Die wundersame Geschichte der Faye Archer – mehr als ein Unterhaltungsroman

Es sind nicht wirklich viele Unterhaltungsromane auf unserem Blog vertreten, weil diese eben nicht in unser Hauptbeutegenre gehören. Wenn wir hier allerdings eben genannte besprechen, dann weil wir wirklich überzeugt sind und diese wirklich weiter empfehlen können.

Das Cover trägt hier eindeutig die Schuld, natürlich im positiven Sinne, dass dieser Roman gelesen wurde. Diese große Schrift, geschwungen und in angenehmen, herbstlich angehauchten Farben und einfach der Titel selbst, all dies lädt zum Lesen ein.

Das Eintauchen in Die wundersame Geschichte der Faye Archer fällt wirklich leicht, denn Faye Archer zeigt sofort ihren umgänglichen Charakter und Christoph Marzis leichter und beschwingter Schreibstil ist mehr als angenehm.

Die wundersame Geschichte der Faye Archer_Spacer_

Faye Archer ist Ende zwanzig und arbeitet in einer Buchhandlung namens „Real Books“. Der Weg zu diesem Job führte über einen Yogakurs, den ihr Chef leitete. Dieser besagte Chef Mica Sagong ist ein gutaussehender Koreaner und liebt Yoga und vor allem Comics.

Ein vergessenes Skizzenbuch allein erregt bei Faye noch keine Aufmerksamkeit, doch wenn der dessen Besitzer Worte wie »Geschichten sind wie Melodien!« von sich gibt, wird Faye hellhörig. Leider zu spät, denn da hatte der Mann, Alex Hobdon, wie sich später herausstellt, den Laden schon verlassen. Dank Facebook findet Faye den Mann, der sie bereits mit wenig Worten verzauberte und den Roman „Frühstück bei Tiffany“ im Real Books kaufte.

Die wundersame Geschichte der Faye Archer - melodische Worte
Die wundersame Geschichte der Faye Archer – melodische Worte

Alex antwortet und erklärt ihr zu den Skizzen, dass er eine Graphic Novel zu Trueman Capotes Werk veröffentlichen möchte. Beide kommen sich per Mails, die nach und nach länger werden, immer näher und öffnen sich wie eine aufblühende Rose. Zudem lautet Fayes Nickname und Künstlername „Holly_G!“, nach Holly Golightly, Capotes Protagonistin. Faye vertraut Alex ohne ihn bisher getroffen zu haben und fällt in ein tiefes Loch, als etwas wundersames passiert.

Sie ist enttäuscht, zweifelt und ist fassungslos. Hat Alex wirklich mit ihr gespielt?

Faye lassen die Vorkommnisse gedanklich nicht in Ruhe und sie möchte einerseits wissen, was hinter dem Verhalten von Alex steckt, anderseits hätte sie gern Ruhe und vielleicht in naher Zukunft endlich mal eine feste und harmonische Beziehung. Bisher war eigentlich immer sie diejenige die sich getrennt hat, was zudem zur Folge hat, dass ihr letzter Ex, Ian, sich ständig bei ihr meldet.

Die wundersame Geschichte der Faye Archer - "Frühstück bei Tiffany" von Trueman Capote
Die wundersame Geschichte der Faye Archer – „Frühstück bei Tiffany“ von Trueman Capote

Es wird Zeit, dass sich Faye wieder in Holly_G verwandelt und in ihre Welt eintaucht, die sie für ein paar Stunden verändert…

Wer noch in ein Art Schubladendenken zurückfällt, der sollte dieses schnell ablegen, vor allem bei diesem Werk aus der Feder Christoph Marzis.

Ehrlich gesagt musste ich immer wieder staunen, dass der Roman, der eindeutig für die Zielgruppe Frau gedacht ist, aus der Feder eines Mannes stammt. Irgendwie war ich immer der Meinung, der Heyne Verlag hat nur Autorinnen unter Vertrag und diese schreiben ausschließlich Unterhaltungsromane für Frauen. Denkste! So ist es nämlich nicht, also Achtung, falls es jemandem so geht wie mir. Mein Denken rührt irgendwie daher, dass ich vor ca. 5 Jahren total auf die Marian Keyes Romane abgefahren bin. 🙂

Die wundersame Geschichte der Faye Archer -
Die wundersame Geschichte der Faye Archer – Christoph Marzi

Faszinierend ist der Plot des Romans, denn dieser ist wirklich genauso wundersam, wie es der Titel verspricht und dazu mit einer zarten Liebesgeschichte ummantelt. Die Leichtfüßigkeit zeichnet dieses Werk aus und die Tatsache, dass Marzi mit gerade mal einer Hand voll Charakteren auskommt, die einfach genial sind. Faye wird wohl von allen Lesern am meisten ins Herz geschlossen. Sie ist selbstbewusst und ihre Verwandlung in Holly ist sagenhaft stark.

Meine Lieblingsstelle im Roman ist jene, als ihr künstlerisches Talent, ihr Auftritt selbst, beschrieben wird. Aber auch der Koreaner Mica mit seinem Charakter und trockenem Humor ist absolut hervorzuheben. Dana Carter, Fayes Freundin, ist ebenso bemerkenswert in ihrer Art und ihrem Handeln, wie Alex Hobdon, dem Objekt der Archer-Begierde, ein Charaktertyp der einfach nie aufgibt.

Wer das Wort “wundersam“ bis zum Schluss im Kopf behält, wird den Roman lieben, denn die Plausibilität wird dadurch gewährleistet.

Die wundersame Geschichte der Faye Archer -
Die wundersame Geschichte der Faye Archer – tiefe Zitate

Für gute Unterhaltung bedarf es keines rosafarbenen Covers und Christoph Marzi hat mich mit seiner Schreibe total überzeugt. Hätte ich wirklich nicht gedacht! Titel und Cover sprechen eine Sprache und sind so rund wie die Story an sich, ohne in einen klischeehaften oder vorauszuahnenden Plot zu verfallen.

Für richtige Buchliebhaber enthält der Roman zudem noch ein richtiges Sahnehäubchen bereit, da viele Romane Erwähnung im Werk finden, großer Bezug zu Büchern enthalten ist (sogar unser David Foster Wallace wird genannt, was magisch ist) und die Buchhandlung sehr oft beschrieben wird und auch Handlungsort ist.

Christoph Marzi sollte die Bezeichnung: „Frauenkenner mit Lizenz zum Schreiben aus weiblicher Perspektive“ bekommen!

[Handarbeitstag mit Lisa Van Allen] „Die Wünsche meiner Schwestern“

Die Wünsche meiner Schwestern - Handarbeitstag und Leseraupen
Die Wünsche meiner Schwestern – Handarbeitstag und Leseraupen

Ob ihr Bücherwürmer seid oder nur ab und an zu einem Roman greift ist bei diesem egal, denn er sollte zur Pflichtlektüre für alle Stricker und Strickerinnen werden und ist ein regelrechtes Muss! Alle Strickfans sollten diesen Roman lesen, denn dieser lässt das Stickherz höher schlagen.

Die einzige Gefahr die beim Lesen die ganze Zeit im Nacken sitzt, ist die Gefahr des plötzlichen Drangs los zu stricken und den Roman für wenige Sekunden auf Seite zu legen. Nicht weil er nicht gut ist oder an irgendeiner Seite nachlässt. Nein, keineswegs, sondern weil er so große Lust aufs Stricken macht, dass das Garn und die Nadeln einfach laut rufen und erhört werden wollen. So wie bei einem Buch in dem es um Schokolade geht, die Schokolade möglichst in Reichweite liegen sollte, sollten bei diesem Werk die Handarbeitsutensilien greifbar sein.

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Elsa ungeheuer – Astrid Rosenfeld

Elsa ungeheuer ~ Astrid Rosenfeld

“Adams Erbe” von Astrid Rosenfeld ist schon lange ein Dauergast im literatwoischen Buchregal und obwohl es laut ruft, ist es immer noch ungelesen. Ein Werk von Astrid Rosenfeld sollte aber nun endlich gelesen werden, denn wir wollen ihr gern einen Platz bei uns geben. Elsa ungeheuer (Diogenes) reizte mich schon sehr lange und ich war mehr als gespannt, was mich erwarten würde. Ich hoffte auf einen ungeheuer guten Roman, der mir ein ungeheuerliches Lesevergnügen bereiten würde, was ich so schnell nicht vergessen würde.

Klingt nach einem Romanungeheuer, oder?

Die erste Begegnung mit dem Ungeheuer namens Elsa, dem kleinen Biest, konnte ich kaum abwarten. Bevor Elsa den Lesern allerdings vorgestellt wird, ist das Kennenlernen des Erzählers notwendig. Nein, der Roman wird nicht aus der Perspektive Elsas erzählt, wie ich annahm, sondern von Karl, dem Jungen mit den struppigen Haaren, dem Bruder des späteren Künstlers Lorenz.

In der Oberpfalz angekommen, habe ich es mir erst einmal gemütlich gemacht und das ruhige Landleben genossen. Die Geschwister Karl und Lorenz haben vor kurzem ihre Mutter Hanna verloren. Sie leben mit ihrem Vater in einer Fast-Pension, sind beide sympathische Kerle und werden umsorgt von der alten, zum Inventar gehörenden Haushälterin Kratzler („Herzjesulein im Himmel“).

Elsa kommt

Den Spaß und die gute Laune bringt der Dauergast und Gute-Nacht-Frauengeschichtenerzähler Murmelstein, der von den Kindern in Murmeltier umgetauft wurde. Das Landleben ist sehr erträglich, ruhig und heimelig und mit großem Staunen wird im Dorf die Ankunft Elsas erwartet. Ob sie so sein wird wie ihre Mutter, wird unter den Männern gefragt und gemunkelt, denn diese kennen viele sehr intensiv…

Elsa ungeheuer ~ Astrid Rosenfeld

Elsa tritt groß auf, denn Elsa ist bereits mit ihren 11 Jahren sicher im Leben stehend, was sie bei dieser Mutter wohl auch muss. Halb abgeschoben wird sie jetzt bei ihrem Vater und ihrem Onkel im Dorf bleiben, denn ihre Mutter reist mit ihrem neuen Mann um die Welt.

Karl hat sich gleich in der ersten Begegnungsminute in Elsa verliebt und himmelt das verrückte Mädchen in den schwarzen Lackstiefeln an. Ihre Eigenarten, in alten Sachen bzw. Sachen ihrer Mutter herumzulaufen, Krawatten um die Waden zu tragen, wie bei Adligen, der Schlankheit wegen, oder ihr loses Mundwerk, zeichnen sie aus.

Wenn Karl noch zurückhalten ist und sich sachte annähert, prügelt sich Elsa schon mit Lorenz, was überhaupt eine Lieblingsbeschäftigung der beiden zu sein scheint. Elsa mischt das ruhige Leben mit ihrem Wesen nach und nach auf.

Elsa scheint wirklich ein ungeheuerliches Ungeheuer zu sein, oder? Den Auftritt von Elsa konnte ich kaum erwarten, denn wenn der Titel bereits nach ihr benannt ist, sollte das Kennenlernen schnell stattfinden. Elsa ist ein Mädchen, was sich bereits in jungen Jahren in eine Art Schutzhülle begeben hat. Sie hat gern die große Klappe, fällt gern aus allen erdenklichen Rahmen und macht was sie will. Ich musste immer wieder an meine geliebte Pippi Langstrumpf denken. Ein herrlicher Charakter, immer für Überraschungen gut. Unter der Elsa-Schale steckt ein weicher Kern, der einfach lauthals nach Liebe schreit.

Nein, Elsa ist kein Ungeheuer!

Die Nachwirkungen des Ausflugs nach Den Haag zum Grab von Hanna und zu Onkel Japp sorgen für die gewaltigen Wendungen im Roman. Das idyllische Landleben wird zur glamourösen Kunstwelt und die Kindheit wird erwachsen…

Elsa ungeheuer ~ Astrid Rosenfeld

Aus Hunden werden Wölfe…

Elsa ist kein Ungeheuer, Elsa wirkt allerdings in diesem ungeheuerlichen Wandel mit, wenn auch nur als eine Art Klammer um die Kunstgeschichte. Astrid Rosenfeld hat mich mit ihrer Art zu schreiben wirklich begeistert. Sie weiß mit welchen Worten sie den Leser halten kann.

Sie bringt Figuren auf die Bühnen der Seiten, die nur für sich einen ganzen Roman füllen könnten. Eigentliche Randcharaktere schleichen sich ins Leserherz, wie zum Beispiel das Murmeltier, selbst die Haushälterin. Jede Figur hat eine besondere Note, die sich in das Gedächtnis des Lesers gräbt, mag sie auch noch so klein sein.

Der Roman ist einfach erstklassig und doch trägt er eine tiefe Note der Zweitklassigkeit in sich, denn die Autorin wollte ungeheuer viel. Zu viel einfach, denn für ihre Ideen, ihre Wendungen und ihre Art des Schreibens reichen die knapp 280 Seiten einfach nicht aus. Der Hunger des Lesers ist nur teilgestillt, da er die Figuren nicht loslassen möchte, aber muss. Und doch beherbergt dieses Gefühl viel Potenzial weiterzudenken, darüber zu sprechen und Elsa in die Welt zu tragen.

Rosenfeld baut einen großen Kuchen vor uns Lesern auf. Allerdings sind in diesem mehrere Geschmacksrichtungen vertreten. Der Wörterkuchen trägt den Namen Elsa und ebendiesen möchte man gern die ganze Zeit um sich haben und genießen. Doch Elsa wird nach und nach zum Rand des Kuchens und am Ende wird spürbar, dass sie hätte mehr da sein können.

Wo ist Elsa?

Diese Frage stellte ich mir im letzten Drittel des Romans. Wo ist diese herrliche Figur, die mich von Anfang an mit ihrer Art faszinierte und noch jede Menge zu erzählen hat? Als mein Ruf nach ihr kaum lauter hätte sein können, ist Elsa wieder da. Anders, kurz, aber wieder da.

Der gewaltige Mix aus Familiengeschichte, Liebesbeziehungen, sexuellen Übergriffen und der Kunstwelt mit ihren Porträts und der Beschreibungen dieser, ist wirklich umfangreich. Doch damit noch nicht genug, denn auch Drogenexzesse und Rückblicke in die unterschiedlichen Leben der Figuren, gespickt mit Intrigen und Klischees, füllen den Roman. Positiv dabei ist allerdings, dass der Leser nur minimal ahnt, worauf die Autorin hinaus will. Wohin sie den Leser führen und womit sie ihn am Ende überraschen möchte.

Astrid Rosenfeld hat mich dennoch begeistert, wirklich begeistert, denn die Handlungen ihrer Protagonisten lassen ihre Leser an einigen Stellen wirklich wahnsinnig werden oder laut loslachen.

Es hätte weniger und davon mehr sein können. Ja, hätte es und doch bleibe ich begeistert von einer ungeheuerlich guten Elsa und dem Ausflug in den Sumpf der Kunst, in dem es zwischen Wahrheit und Lüge keine Grenzen mehr gibt.

Hunde oder Wölfe? GNADE!

[Debütroman] 7 Männer für Emma von Jo Berger

7 Männer für Emma -
7 Männer für Emma – ein Neuzugang der mit Meisl vergleichbar ist?

Als ob ich ahnte, dass die Entscheidung liegen zu bleiben die richtige sein würde, verbrachte ich den Tag mit Emma und ihren 7 Männern im Bett.

Zudem lag Emma Weber auch noch im Bett, denn ihr Abend, ihre Nacht war alkoholisch durchzogen. Kaffee muss her, Kaffee hilft immer, zumindest fast. Lynn, Emmas beste Freundin, war noch im Halbschlaf als Emma sich telefonisch nach ihr erkundigte. Beide Single, beide spontan und einem gemeinsamen Frühstück und einem ganz gemütlichen Tag stand nix mehr im Weg. Herrlich so ein Freundinnentag.

Emma war vor einer Woche noch mit Hagen zusammen, doch jetzt ist sie wieder auf sich allein gestellt. Getrennt, in einer Wohnung nur für sich und das nach drei Jahren Beziehung. Sie vermisst Hagen und doch versucht sie das Positive aus der Trennung hervorzuheben. Keine Vorschriften, sie kann rauchen so viel und wo sie will, ihre Speckpölsterchen stören niemanden und sie kann rund um die Uhr machen was sie möchte.

7 Männer für Emma - ein Lesetag im Bett
7 Männer für Emma – ein Lesetag im Bett

Freiheit pur – eigentlich. Wäre da nicht das abhanden gekommene Selbstbewusstsein, was irgendwie neu aufgebaut werden muss. Dafür gibt es aber zum Glück Lynn, die gemeinsam mit ihr auf die Jagd nach einem neuen Mann und jeder Menge Lebensspaß geht.

Der Lebensspaß wäre allerdings noch spaßiger, wenn die Gedanken nicht ab und an zum Perfektionist Hagen zurück treiben würden und vor allem, wenn wenigstens im Job alles gut wäre. Personalabbau, Umstrukturierung und Stress ohne Ende. Das Leben hält ständig Überraschungen bereit und langsam ist es an der Zeit die negativen zu stoppen und die positiven ganz weit nach vorne zu holen.

Ein richtiger Mann soll her – ein Lebensmann für Emma, mit dem sie Pferde stehlen kann und der sie so mag wie sie ist. Mit allen Ecken und Kanten natürlich – das volle Emma-Komplettpaket.

7 Männer für Emma_Jo Berger-Spacer

„7 Männer für Emma“? Da klingelte es doch in meinen Leseohren. Ist Jo Bergers Buch die Steigerung zu Fünf Männer für mich von Annette Meisl? Der Roman schrie danach gelesen zu werden.

Gleich auf der ersten Seite sprang mir ein Zitat ins Auge, das mich in meiner Annahme bestätigte und ich machte mich auf ein Emma-Leben mit 7 Männern gefasst.

„Ich hätt´ gern sieben Männer, dann bräucht ich keine Bücher mehr.“

Bevor ich allerdings in das chaotische Leben von Emma eintauchte, habe ich mich köstlich über die stichpunktartige Vorstellung der Autorin selbst amüsiert.

„Nutellasüchtige Nörglerin mit gelegentlichem Lachzwang“ – herrlich oder? Und dies ist nur ein kleiner Auszug, mehr gibt es auf der Homepage von Jo Berger.

Emma ist einfach herzerfrischend, genau wie Jo Bergers Schreibstil. So einen humorgespickten Roman habe ich lange nicht gelesen und ich war froh, dass ich im Bett keinen Kaffee trinke, denn der wäre wohl im Buch gelandet. Ich musste sehr oft sehr laut lachen über Emmas Verhaltensweisen und ihre gradiosen Gedankengänge. Meine Gesichtslachfalten wurden dauerhaft beansprucht.

7 Männer für Emma -
7 Männer für Emma – ob sich der richtige Mann findet?

Nach wenigen Seiten stellte ich allerdings fest, dass der Roman überhaupt nicht mit Annette Meisls Werk zu vergleichen ist. Denn Emma hat nicht mehrere Männer gleichzeitig um sich, wie Annette, sondern hintereinander, sozusagen. Sie ist also in dem Sinne relativ „normal“ 🙂

Hagen, Samuel, Nils, Sebastian, Rolf, Benjamin und Jan heißen die Männer mit denen sich Emma einlässt, wobei das Wort bei manchen eher schon zu übertrieben ist. Emma ist auf der Suche nach einem Mann und kann sich nicht beklagen, dass es an Männern auf der Welt mangelt. Bei einigen ist es eben nur so,  dass es nicht mehr als für eine kurze Begegnung reicht, was auch völlig gut so ist.

Wer hier einen Roman erwartete in dem es ständig um Sex oder Untreue geht, der liegt falsch. Emma ist und bleibt monogam und nicht nur die Männern, sondern auch ihr Job nehmen eine große Rolle in ihrem Leben ein. Am Ende dachte ich, dass sogar der Titel „3 Männer für Emma“ oder „Das kunterbunte Leben der Emma W.“ besser gewesen wäre.

7 Männer für Emma - Jo Berger
7 Männer für Emma – eine Collage von Jo Berger

Nichts desto trotz habe ich mich wunderbar unterhalten gefühlt und die knapp 300 seitige Begegnung mit Jo Bergers sympathischer Protagonistin sehr genossen. Die Kapitel haben bezeichnend witzige Überschriften und gehen nicht immer nahtlos ineinander über, so dass ein Unterbrechen nicht wirklich aus dem Lesefluss reißt. Es gibt allerdings den Roman auch als Kindle-Edition.

Wer einen Frauenroman sucht der wirklich sehr realitätsnah, zudem mit ganz viel Humor gespickt und für einen Guten-Laune-Lesetag geeignet ist, der sollte hier unbedingt zugreifen. Wenn ihr dazu noch ein wenig Kitsch mögt, dann ist alles bestens und ihr werdet euch sehr gut unterhalten fühlen.

Grüßt Emma von mir und ich persönlich fand zudem lustig, dass mir meine Namensvetterin über den Weg lief.

P.S. Das Taschenbuch ist so fest geklebt, dass es beim Lesen wirklich mit zwei Händen gehalten werden muss. Jo Berger kann sich sicher sein, dass der Leser wirklich an den Roman gefesselt ist 😉

Marina – Carlos Ruiz Zafón

Marina - Carlos Ruiz Zafón - Bestseller
Marina – Carlos Ruiz Zafón – Bestseller

Marina, Marina, Marina – lange habe ich überlegt, wann der richtige Zeitpunkt für einen weiteren Zafón ist. Diese Überlegung wird dem Leser spätestens bei den Zeilen des Meisters selbst abgenommen. Dieser lässt es sich nicht nehmen, dem Leser ein paar persönliche Worte und Hintergründe mit auf den Leseweg zu geben. Überraschend anders und sehr persönlich…

„Marina sagte einmal zu mir, wir erinnerten uns nur an das, was nie geschehen sei.“

Mit diesem Satz beginnt der Roman und gleich dieser erste Satz lässt innehalten. Könnte man über diese Worte nicht ewig nachdenken? Ein sofortiges Weiterlesen fiel mir schwer, da nur ein Satz vorher Zafón selbst schrieb:

„…und ich werde mich, wie Marina sagen würde, wieder an das erinnern können, was nie geschah.“

Diese zwei Sätze, diese Aussage, die Idee, die ganze Botschaft an sich, kann so umfassend ausgeweitet werden und ein begonnenes Gespräch kann ganze Abende füllen, so viel Potenzial steckt in diesen wenigen Worten. Sagenhaft.

Marina -
Marina – Zitate mit Langzeitnachdenkwirkung

Marina (Fischer Verlag) ist mein zweiter Zafón nach „Der Schatten des Windes“ und dank der Worte des Autors konnte ich mich mit einer anderen Art von Leseerwartung in den Roman begeben, da ich wusste, dass dieser völlig anders wird. „Der Schatten des Windes“ hat mich regelrecht umgehauen und zwar so sehr, dass ich immer noch nicht fähig war und bin, eine Rezension zu schreiben.

Marina_Carlos Ruiz Zafón-Spacer

Oh, ein schwarzer Schmetterling umschwirrt den Bildschirm um mir mitzuteilen, dass ich jetzt endlich erzählen soll, was euch mit Marina passieren wird und was mir passierte…

Óscar Drai – diesen Namen trägt der Protagonist welcher gleichzeitig Erzähler ist und sich nach und nach ins Herz des Lesers schleicht, denn was er von sich preisgibt, ist sein Geheimnis. Die gestohlene Taschenuhr mit einer besonderen Gravur bedrückt den Internatsschüler immer mehr und schließlich kann er nicht anders, als diese in das verwunschene alte Haus zurück zu bringen. Durch dieses Zurückbringen lernt Óscar das geheimnisvolle und Geheimnis liebende Mädchen namens Marina und ihren kranken Vater Germán, den eigentlichen Eigentümer der Uhr und früheren Künstler mit bewegender Geschichte, kennen.

Marina -
Marina – gestohlene Taschenuhr

Die gegenseitige Sympathie ist vorhanden und ein zweites Treffen ist vorprogrammiert, die Wurzeln einer tiefen Freundschaft sind gelegt. Marina weiht Óscar in ihr kleines Geheimnis, in die Entdeckung die sie auf dem Friedhof gemacht hat, ein. Ein schwarzer Schmetterling, die Dame in schwarz und mehrere Puppen, scheinbar unvollendet und doch lebendig sind der Auftakt zu einer Geschichte, der Auftakt in die Vergangenheit und der Auftakt um das Leben des ehemals reichsten Mannes von Barcelona.

Michail Kolwenik, das Abnormale liebend und an Leichen experimentierend, ist verbrannt! In inniger Umarmung mit seiner geliebten Ewa Irinowa. So jedenfalls heißt es und doch scheint alles ganz anders, denn ein Kuvert, welches Óscar in die Hand gedrückt bekommt, führt ihn zu einer Spur, die wenig Gutes bereit hält.

Marina -
Marina –

Zwei Jugendliche, ein noch dünnes Liebesband und ein umfassendes Geheimnis, was in den Gassen  Barcelonas ergründet wird, sind die Wegmarkierungen im Roman. Was mit viel Poesie und einem breitem Leseweg beginnt, verändert sich schnell in ein regelrecht gruseliges Abenteuer mit vielen schmalen Seitenwegen die sogar Horrorszenen enthalten und erschüttern.

Zafón warnt vor, dass hier ein Roman vorliegt, der wirklich komplett anders ist. Jedem Leser sollte bewusst sein, dass hier etwas geschieht, was voller Magie steckt, die stellenweise keinen realen Bezug hat. Der Roman balanciert auf mehreren Genrekanten. Mysteriöses trifft Horror, Fantasy trifft Liebe – Jugendbuch mischt sich mit Erwachsenenroman. Ab und an wandelt sich die Spannungsgänsehaut zu Gänsehaut des Ekels…

Marina -
Marina – schwarze Damen

Ich bin wieder gern durch die Straßen Barcelonas gestreift, habe mich mitreißen lassen und ich habe mich geekelt und gegruselt. Jeder Zafón bringt neben dem Romaninhalt Barcelona näher und näher und irgendwann wird wohl eine Reise in die spanische Großstadt nicht mehr zu verhindern sein. Im Nachhinein empfinde ich es wichtig, ohne Erwartungen an diesen speziellen Zafón hineinzulesen, da sonst die Welle der Enttäuschung wohl nicht lange auf sich warten lässt.

Ebenso wie die Zartheit von 0 auf 100 zur Brutalität umkippt, verhält es sich mit der Sogkraft des Romans, denn die zafonsche Mischung ist und bleibt unbeschreiblich gut.

Marina -
Marina – Schmetterlingsserum

Auf 350 Seiten spult der Meister förmlich ein breites Theater an Begebenheiten ab und vergisst nicht zwischen allen außergewöhnlichen Dingen, für einen Überraschungseffekt am Ende zu sorgen. Dieser lässt „Marina“ in einem magischen Licht erstrahlen und alle Anfangsgedankenblühten öffnen, die bis dahin noch geschlossen sind.

P.S. „Marina“ steh in meinem Bücherregal nicht weit entfernt von Die Insel der besonderen Kinder, Die hässlichste Frau der Welt und Madame Jakublonskis Monstrositäten-Cabinet entfernt, damit sich diese miteinander austauschen können.